Motor

Automatisiertes Fahren - Die Paragrafen fahren mit

  • Walther Wuttke/SP-X
  • In MOTOR
  • 26. November 2014, 14:36 Uhr

Nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch erlaubt. Das lernen die Entwickler speziell beim autonomen Fahrzeug. Die Autos kämen wohl schon gut ohne Fahrer aus, wenn sie denn dürften.

Das automatisierte Auto, in dem der Fahrer nur noch eine Nebenrolle spielt, kommt, offen ist allerdings wann. Bei der Umsetzung spielen die technischen Probleme eine eher untergeordnete Rolle spielen, denn schon heute nehmen Assistenzsysteme dem Menschen hinter dem Lenkrad viel Arbeit ab und verbessern die Verkehrssicherheit. Doch je mehr die Technik eingreift, desto mehr müssen Paragraphen und Vorschriften den neuen Möglichkeiten angepasst werden.

Für Fahrzeuge, die selbstständig ihren Weg finden, sind die aktuellen nationalen und internationalen Verordnungen und Abkommen nicht geeignet und müssen entsprechend angepasst werden. Das wird mindestens so viel Zeit in Anspruch nehmen wie die Entwickler benötigen, die Technik serienfest zu machen. Aktuell laufen die Anpassungen an die Zukunft parallel. Während die Ingenieure die verschiedenen Systeme zur Serienreife bringen, arbeiten Juristen an der Neugestaltung der Rahmenbedingungen.

Eins ist klar: Die schöne automatisierte Autowelt wird nicht mit einem Schlag über die Chauffeure kommen. Vielmehr werden sich die Systeme nach und nach in die Produktion schleichen und vor allem da aktiv sein, wo das Fahren wenig oder gar keinen Spaß macht. ,,Wenn die Lust am Fahren abnimmt, also bei langweiligen Fahrten auf der Autobahn oder im Stau, soll der Automat übernehmen", erklärte Arne Bartels, bei der Volkswagen-Konzernforschung für Fahrerassistenz und integrierte Sicherheit verantwortlich, auf einer Veranstaltung des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) in Bonn.

So ausgelegt, kann die neue Technik zu einer Verringerung der Unfälle und einem besseren Verkehrsfluss beitragen. Teilautomatisierte Systeme der ersten Generation sind Stau- und Parkassistenz, bei der das Auto über ein Smartphone gesteuert, aus einer engen Parklücke gelotst werden kann. ,,Dieses System", so Bartels, ,,vermeidet Parkschäden und verbessert gleichzeitig den Komfort." Einen Schritt weiter geht der Stauchauffeur, der automatisiertes Fahren (bis 60 km/h) im Stau ermöglicht. Dabei muss der Fahrer die Einstellung aktivieren und kann sich danach zurücklehnen, Mails lesen oder Nachrichten verfolgen. Sein Eingreifen ist nicht notwendig, solange der Verkehr stockt. Ändert sich die Verkehrssituation, fordert die Technik den Fahrer zu Eingreifen auf, und der Fahrer übernimmt wieder die Regie hinter dem Lenkrad.

Wenigstens so lange der Autobahn-Chauffeur noch nicht serienreif ist. Mit dieser Einrichtung aus der zweiten Technik-Generation ist automatisches Fahren (bis maximal 130 km/h) auf Autobahnen und anderen vierspurigen Pisten möglich. Denkbar und machbar sind auch  technische Hilfen, bei dem vollständig auf den Fahrer verzichtet wird, das Fahrzeug sich zum Beispiel in einem Parkhaus selbstständig einen Platz sucht. Darüber hinaus denken die Techniker an automatisierte Fahrzeuge, bei denen der Fahrer die Kontrolle vollständig an die Elektronik abgibt und sich ein Nickerchen gönnt.

Das automatisierte Fahren folgt auch der demografischen Entwicklung und unterstützt ältere Fahrer. Aber: ,,Menschen, die wegen ihrer Behinderung heute nicht fahren können, werden auch in Zukunft nicht hinter dem Lenkrad sitzen, stellt der VW-Forscher Bartels klar."

Technisch machbar und juristisch abgesegnet, das sind zwei Welten, die sich aktuell gegenseitig ausschließen. Im deutschen und europäischen Zulassungsrecht ist klar definiert, welche Anforderungen ein neues Serienfahrzeug erfüllen muss. Nach der ECE-Regel 79 sind Assistenzsysteme, die in die Lenkung eingreifen, nur dann erlaubt, ,,wenn der Fahrer immer die Hauptverantwortung für das Führen des Fahrzeugs behält", und ,,er diese jederzeit durch einen bewussten Eingriff übersteuern kann." ,,Wir müssen", erklärt Lennart S. Lutz von der Universität Würzburg, ,,Vorschriften für die Kooperation von Mensch und Maschine und das automatisierte Fahren finden."

Neben den deutschen und europäischen Vorschriften muss auch das Wiener Übereinkommen entsprechend neu gefasst werden. Dieses Abkommen regelt seit knapp 50 Jahren weltweit die Standards für Verkehrsregeln in den 72 Unterzeichnerstaaten und sieht keine Regeln für automatisiertes Fahren vor. Deshalb haben Deutschland, Belgien, Österreich, Frankreich und Italien entsprechende Änderungen beantragt, die aber frühestens, wenn kein anderer Staat Widerspruch einlegt, Mitte 2016 in Kraft treten können. Das gibt den Juristen zusätzlichen allerdings auch zeitlichen Spielraum, die Haftungsfragen bei Unfällen mit automatisiert fahrenden Automobilen zu regeln.

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