Nutzfahrzeuge

Volvo FM Light: Leichtathlet für schwere Jobs

  • Wolfgang Tschakert
  • In NUTZFAHRZEUGE
  • 11. Oktober 2016, 11:11 Uhr

Er ist kein Schönling und kein Publikumsmagnet. Und dennoch zog der blaue Volvo FM auf der IAA Nutzfahrzeuge die Aufmerksamkeit der Experten auf sich. Die Volvo-Zugmaschine wiegt weniger als sieben Tonnen, gut für den Tank- und Silotransport, wo es auf jedes Kilogramm ankommt

Er ist kein Schönling und kein Publikumsmagnet. Und dennoch zog der blaue Volvo FM auf der IAA Nutzfahrzeuge die Aufmerksamkeit der Experten auf sich. Die Volvo-Zugmaschine wiegt weniger als sieben Tonnen, gut für den Tank- und Silotransport, wo es auf jedes Kilogramm ankommt.

Weniger Gewicht verheißt mehr Nutzlast, die Rechnung klingt trivial. Um aber einen Tankzug legal mit 30.000 Litern zu befüllen, bleibt nicht mehr viel Spielraum für die Transporthardware. Auch der Gesetzgeber redet hier ein gewichtiges Wörtchen mit. Mehr aktive und passive Sicherheit, wie gefordert, ist nicht ohne mehr Masse zu schaffen. Und zuletzt schlägt auch die Abgasnorm Euro 6 mit etwa 130 Kilogramm Extra zu Buche. Aber wie funktioniert der leichte Volvo im Einsatz? Mit welchen Handicaps müssen Betreiber und Fahrer leben? Gleich nach der Messe stellt sich der Volvo mit Tankauflieger einer kritischen Begegnung.

Das 40-Tonnen-Limit steht ehern im Gesetz, und wer hier gehörig mitspielen will, benötigt ein Superleichtgewicht, aber kein Sparmobil. Vielleicht eines wie den Volvo FM 410 Light, der je nach Ausstattung sogar knapp die magische Sechstonnen-Marke unterbieten soll, ohne auf wichtige Grundeigenschaften zu verzichten. Das beginnt schon beim FM-Fahrerhaus, das schon zu den betagten Konstruktionen am Markt zählt. Der hohe Motortunnel schränkt das Raumangebot zwar ein, mit seinem Hochdach aus Stahl bietet es aber ausreichend Platz und noch immer zeitgemäßen Komfort. Die FM-Kabine ist keine Leichtbaukonstruktion, dafür fest wie eine Burg und "schwedentest-erprobt", wie es sich für einen Volvo gehört. Das Spoiler-Paket, sonst für Kabinen dieser Art üblich, sparen die Produktmanager ein, bei Tank- und Silofahrzeugen ist es ohnehin entbehrlich. Man muss schon genauer hinsehen, um den Umfang der Gewichtsoptimierung zu entdecken.

Natürlich sitzt kein großvolumiger Diesel unter der Kabine, aber auch kein Hänfling. Der D11-Sechszylinder mit 10,8 Liter Hubraum spart 200 Kilogramm (im Vergleich zum D13-Diesel) aber nicht unbedingt mit Leistung. Seine lebhaften 302 kW/410 PS nehmen es sogar mit 40 Tonnen auf, für den Einsatz mit hohem Leerfahrtanteil ist er die richtige Wahl. Das maximale Drehmoment von 1.950 Newtonmeter steht schon bei 950 Touren bereit. Die aktuelle Überarbeitung des I-Shift-Getriebes spielt dem FM Light in die Karten. Es schaltet jetzt noch schneller und mit geringeren Zugkraftverlusten. Und trägt so zu mehr Effizienz bei. Auch die neue 11,5-Tonnen-Antriebsachse hilft beim Nutzlastgewinn, sie wiegt etwa 20 Kilogramm weniger.

Bekanntlich lässt sich am Rahmen, an den Achsführungen und Anbauteilen trefflich Eigengewicht sparen. Wie die Verkaufsliteratur zeigt, bietet der FM-Baukasten vielfältige Kombinationsmöglichkeiten. Beim Rahmen dürfen es dann sechs statt sieben Millimeter Materialstärke sein, die reichen für mitteleuropäische Straßen vollauf. An der Vorderachse führen Einblattfedern, auch der gewichtsoptimierte Stabilisator spart noch sieben Kilogramm ein. An der Hinterachs-Aufhängung sind es nochmal 100 Kilogramm. Die Längslenker, auch die Luftbalgträger werden in Aluminium ausgeführt, der kurze Stabilisator sitzt Masse sparend zwischen den beiden. Ohne Abstriche bei den Fahreigenschaften, der Volvo FM Light macht auch auf welligen Fahrbahnen eine gute Figur. Sein Geradeauslauf fordert keine Lenkkorrekturen, in Kurven folgt der Sattelzug der exakten Lenkung mit hoher Präzision. Seine Vierbalg-Federung steckt die unterschiedlichen Sattellasten sehr gut weg. Und die Vierpunkt-Luftfederung des Fahrerhauses verarbeitet, was die Fahrzeugfederung an das Chassis weiterreicht.

Hohe Sicherheitsreserven bietet die Bremsanlage des FM Light. Schon die Motorbremse verblüfft mit starkem Einsatz und 290 Kilowatt Bremsleistung bei moderaten Drehzahlen. Reicht die Verzögerung mal nicht, genügt ein Knopfdruck am Dauerbremshebel. Dann schaltet das I-Shift-Getriebe zurück und mobilisiert die maximale Bremsleistung. Aber Vorsicht bei Leerfahrten auf nassen Straßen: Dann macht sich die Hinterachse besonders leicht, die Räder blockieren - nur ganz kurz, das ABS-Regelsystem verhindert, dass der Motor ausgeht. Dann ist es besser, mit den massiven Scheibenbremsen zu verzögern, die jeden Bremsbefehl blitzschnell elektronisch an die Bremszylinder weiterreichen.

Bei den Annehmlichkeiten fürs Fahrpersonal wird nicht gespart, soweit möchte man bei Volvo Trucks nicht gehen. Das Interieur ist markentypisch hochwertig, auch an der Geräuschdämmung wird nichts abgezwackt. Der Fahrer nimmt auf einem Komfortsitz Platz, er kommt in den Genuss von Klimaautomatik und Standheizung. Nichts fehlt, was man heute so braucht.

Erst recht nicht die Sicherheitssysteme, hier ist der leichte Volvo FM auf dem neuesten Stand. Sein Abstandsregeltempomat warnt vor Kollisionen, und wohltuend zu wissen: Die Notbremsfunktion greift bei groben Fahrfehlern ein, an Stauenden und bei stehenden Hindernissen. Der Spurwechselassistent warnt den Fahrer optisch und akustisch vernehmbar, wenn beim Einscheren ein Verkehrsteilnehmer rechts die Spur blockiert. Oder die Impulsstreckbremse, die auf glattem Untergrund mit gezielten Anhängerbremsungen den berüchtigten Klappmessereffekt verhindert - beide Systeme sind derzeit nur bei Volvo Trucks zu haben.

Das Fahrerwarnsystem DAS (= Driver Alert Support) überwacht die Aufmerksamkeit des Fahrers. Es erkennt aus dem Fahrverhalten, ob der Trucker müde oder abgelenkt ist. Mit einer optischen und akustischen Warnung wird zur Pause gemahnt, vorsorglich der Tempomat für die weitere Nutzung abgeschaltet.

Der Volvo FM Light ist ein Spezialist und kein Fall für jeden. Er kann fast alles und nicht alles besser. Aber geht es um Nutzlast, ist der gewichtsoptimierte FM ein Ass. Mit seinem Gewicht macht er sich auf der Waage klein, sein großes Fahrerhaus kann sich bei den Fahrern sehen lassen. Er passt vor Tank- und Siloauflieger, mit ADR-Gefahrgutausstattung fährt er Treibstoff. Vor längeren Distanzen muss der reichlich ausgestattete Volvo FM nicht passen, mit seinen grundehrlichen und immer berechenbaren Fahreigenschaften enttäuscht er auch anspruchsvolle Erwartungen nicht zurück.

Wolfgang Tschakert

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