Fahrbericht

Lada Granta: Liebesgrüße aus Moskau

Beim Namen 'Lada' denken viele Menschen zunächst an schwarze Limousinen, mit denen der russische Geheimdienst KGB die Straßen Moskaus unsicher macht. Dabei ist der Lada der Neuzeit längst ein Fahrzeug, dem nichts Geheimnisvolles oder gar Böses mehr anhaftet. Wir haben uns im Praxis-Test mit dem Lada Granta 16V selbst ein Bild davon gemacht.


Beim Namen "Lada" denken viele Menschen zunächst an schwarze Limousinen, mit denen der russische Geheimdienst KGB die Straßen Moskaus unsicher macht. Und im Innenraum sitzen finstere Gestalten mit langen dunklen Mänteln. Das Klischee wird auch heute noch in vielen Hollywood-Streifen gepflegt. Dabei ist der Lada der Neuzeit längst ein Fahrzeug, dem nichts Geheimnisvolles oder gar Böses anhaftet. Wir haben uns im Praxis-Test mit dem Lada Granta 16V selbst ein Bild davon gemacht.

Das Modell basiert auf dem Kalina. Der Granta ist als Stufenheck- und Fließheck-Limousine erhältlich, während die Steilheck- und Kombi-Varianten als Lada Kalina 2 erhältlich sind. Es sollte ein Fahrzeug kreiert werden, das für alle bezahlbar ist. Um einen geeigneten Namen zu finden, startete der Hersteller einen Wettbewerb, bei dem jeder einen Namensvorschlag für das neue Fahrzeug unterbreiten konnte. Der Wettbewerb lief unter dem Motto: "Ein Volksautomobil braucht einen Volksnamen". Der Sieger des Wettbewerbs war übrigens ein Bewohner der Stadt Krasnojarsk, der den Namen "Granta" vorschlug. Und als Siegprämie gab's einen nagelneuen Kalina.

Doch zurück zu unserem Granta 16V Fließheck. Sobald man die Fahrertür öffnet, einsteigt und Platz nimmt, wird klar: Hier ist irgendwie die Zeit stehengeblieben. Der KGB-Muff ist zwar verflogen, doch dafür steigt der Duft von billigem Plastik schnell in die Nase. So mancher Zeitgenosse denkt sofort an Raumspray, wie es in Motelzimmern zum Einsatz kommt. Aber geschenkt, wer fährt schon mit der Nase. Der Granta wirkt wie ein Relikt vergangener Tage. "Digitalisierung", "Vernetzung" oder "Infotainment" scheinen absolute Fremdworte; dieses Vehikel versprüht im Innenraum den Charme der 1970er-Jahre.

Aber in seinen Grundwerten unterscheidet er sich nicht von seinen zumeist viel teureren Artgenossen. Der Granta hat ein Zündschloss, und wenn man den Schlüssel dreht, springt der Vierzylinder ohne zu murren an. Ein Radio ist an Bord, es gibt selbstverständlich ein Lenkrad, eine Handbremse, Scheibenwischer, Scheinwerfer und sogar elektrische Fensterheber. Alles in allem ist dieser Blechkamerad ein echtes Auto "Made in Russia". Doch mit dem Kalten Krieg hat der Granta längst nichts mehr am Hut. Vielmehr will Lada mit diesem Fahrzeug das Tor zum kapitalistischen Westen öffnen.

Bei einem Einstiegspreis von 7.010 Euro für den 1,6-Liter-Benziner mit 64 kW/87 PS können echte Schnäppchenjäger ganz sicher nicht widerstehen. Doch wir fahren die Luxus-Variante, den 1,6-Liter-Benziner mit 72 kW/98 PS und Fließheck. Bei einem Preis von 11.910 Euro bekommt das Wort "Luxus" aber eine völlig neue Bedeutung. Sahnehäubchen ist das Automatik-Getriebe, das bei dieser Variante serienmäßig mit an Bord ist. Überraschend erfreulich ist die Beschleunigung des Russen. Ohne zu granteln erreicht der Granta nach 12,6 Sekunden die 100-km/h-Marke. Was allerdings deutlich mehr imponiert, ist die Tatsache, dass es bis Tempo 169 zügig vorangeht.

Doch trotz aller Sympathie für die schlichten inneren Werte muss auch auf eine Gefahrenquelle hingewiesen werden. Und die heißt: Wehe wenn der Wind kommt. Sobald die Tacho-Nadel die 120-km/h-Marke überschreitet, wird der Granta instabil und beginnt böse zu schwimmen. Kommt noch Wind dazu, ist das Fahrzeug nur schwer zu kontrollieren. Das Handling ist wie aus einer anderen Zeit. Auch das Bremsen ist gewöhnungsbedürftig. Wenn man schon keinen Bleifuß braucht, so sollte man in Gefahrensituation mit Wucht in die Eisen steigen - denn sonst passiert erstmal gar nichts. Wenn der Fahrer all das weiß, stellt er sich von vornherein aufs Cruisen ein. Und das kann bei schönem Wetter und trockener Fahrbahn auch mit dem Granta eine Menge Spaß machen.

Fazit: Alles in allem ist der Lada Granta ein liebenswertes Gefährt, das einen sicher von A nach B bringt - wenn man nicht in Eile ist. Und wer auf "Old School" steht und mit Digitalisierung nichts am Hut hat, der ist mit dem rollenden Russen eigentlich ganz gut unterwegs. Leder und echter Luxus sind in dieser Preisklasse nicht zu erwarten. Schnäppchenjäger werden diesen Liebesgrüßen aus Moskau vermutlich nicht widerstehen können. Ob der britische Geheimagent James Bond dafür aber seinen Aston Martin stehenlässt, ist zu bezweifeln.

Ralf Loweg / mid

Technische Daten Lada Granta 16V Fließheck:
Viertürer, fünfsitziger Kompaktwagen, Länge/Breite/Höhe/Radstand in Meter: 4,24/1,70/1,50/2,47, Leergewicht: 1.090 kg, zul. Gesamtgewicht: 1.560 kg, Kofferraumvolumen: 440 l, Tankinhalt: 50 l, Preis: ab 11.910 Euro.
Motor: V16-Benziner, Hubraum: 1.596 ccm, Leistung: 72 kW/98 PS bei 4.000/min, max. Drehmoment: 145 Nm, Beschleunigung 0 bis 100 km/h: 12,6 s, Höchstgeschwindigkeit: 169 km/h, Normverbrauch: 7,1 l/100 km, CO2-Ausstoß: 164 g/km, 4-Gang-Automatikgetriebe, Frontantrieb.

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