Fahrbericht

Fiat und Abarth 124 Spider: Artig oder Abarth-ig

  • Ralf Schütze
  • In FAHRBERICHTE
  • 25. September 2017, 12:06 Uhr

Den japanischen Frischluftflitzer Mazda MX-5 hat Fiat in seine Neuinterpretation eines stilvollen Italo-Roadster verwandelt: den Fiat 124 Spider. Design, Performance und Antriebstechnik bringen südeuropäisches Flair und zitieren den schönsten Fiat aller Zeiten, den Namenspatron von 1966. Italophile Roadsterfans haben die Qual der Wahl.

Den japanischen Frischluftflitzer Mazda MX-5 hat Fiat in seine Neuinterpretation eines stilvollen Italo-Roadster verwandelt: den Fiat 124 Spider. Design, Performance und Antriebstechnik bringen südeuropäisches Flair und zitieren den schönsten Fiat aller Zeiten, den Namenspatron von 1966. Italophile Roadsterfans haben die Qual der Wahl: Entweder artige 140 PS für 24.990 Euro, oder für die Selbstdarsteller unter den Open Air-Jüngern: Der lautstarke Abarth 124 Spider, der mit einer überschaubar klingenden Mehrleistung von 30 Extra-PS mit 40.000 Euro zu Buche schlägt - ist er das wert?

Die von Mazda übernommene, technische Basis macht den elegant und geschmackvoll auf Italo-Flair getrimmten Zweisitzer Fiat 124 Spider zur Mogelpackung und doch wieder nicht: Zwar steckt jede Menge fremde Technik unterm in Bella Italia kreierten, wohlgeformten Blechkleid. Jedoch sorgen eben jenes eigenständige Design, eine individuelle Fahrwerksabstimmung und eigene Konzern-Motoren dafür, dass die wundersame Verwandlung gelingt: Der Fiat 124 Spider fühlt sich tatsächlich so an, wie man es sich von einem echten Italo-Roadster erhofft. Das war auch beim Namenspatron von 1966 so, der aus der Feder von Blech-Maestro Pininfarina als schönster Fiat aller Zeiten gilt. In seine großen Fußstapfen tritt der Spider der Neuzeit seit 2016.

Giorgio Vinciguerra ist Sizilianer und Chef von Fiat Deutschland. Auch er sieht im alten 124 Spider "eine Ikone und eines der schönsten Autos, das Fiat je gebaut hat". Man kann seine Begeisterung nachvollziehen, denn der neue 124 Spider zitiert geschickt Elemente des Originals von 1966 - darunter zwei markante Erhebungen auf der Motorhaube, der sechseckige obere Frontgrill, ein markanter Schwung über den Türgriffen sowie die nostalgischen, ringförmigen Heckleuchten. Diese sind wie beim 2015 facegelifteten Fiat 500 innen in Wagenfarbe lackiert. Damit soll nun auch der 124 Spider unterstreichen: Hier steht der legitime moderne Nachfolger einer wahren Fiat-Legende.

Den sportlichen Anspruch des durch und durch dynamisch wirkenden Ragazzo betont unter anderem eine integrierte Heckspoilerlippe. Die dazu passende, kräftige Stimme ertönt in unerschiedlichsten Drehzahlregionen dank einer Doppelrohr-Auspuffanlage. Der charmante Schönling hat tatsächlich ganz schön was drauf: 140 Turbo-PS Leistung und die wuchtige Durchschlagskraft von 240 Nm Drehmoment entwickelt Fiats hauseigener 1,4-Liter-MultiAir-Motor. Dadurch hebt sich der Italo- deutlich vom Japan-Roadster Mazda MX-5 mit Saugmotor ab. Preislich unterscheiden sich die optisch ungleichen Technikbrüder kaum, denn der Mazda ist zwar um 2.000 Euro günstiger als der Italiener, bietet dafür aber immerhin neun PS und 90 Nm Drehmoment weniger Power.

Der Vierzylinder im 124 Spider hängt reaktionsschnell am Gas, macht ausreichend Druck aus niedrigen Drehzahlen heraus. Die ambitionierten Fahrdynamiker unter den Roadster-Fahrern dürfen sich über Hinterradantrieb freuen, der bei deaktivierter Traktionskontrolle die Räder im Heck ganz schön zum Durchdrehen bringt. Fahrerische Könner legen können so durchaus Power-Drifts hinlegen. Für Otto-Normalfahrer ist dagegen viel wichtiger: Der Roadster bietet beim entspannten Dahingleiten wenigstens ausreichenden Komfort. Dank relativ straffer Fahrwerksabstimmung flitzt er aber angenehm flott durch Kurven. Der Kompromiss aus Dynamik und Komfort ist also einigermaßen gelungen und tendiert spürbar in Richtung Sport.

Wer befürchtet, dass nur kleinwüchsige Insassen Platz haben im relativ eng geschnittenen, nur 4,05 Meter langen Italo-Roadster, täuscht sich: Immerhin bis zu 1,90 Meter große Menschen kommen sich im 124 Spider vor, als wäre das hochwertige Interieur für sie maßgeschneidert. Nur noch größere Zeitgenossen klagen über knappe Kopffreiheit, wenn sie das einfach zu bedienende Verdeck schließen. Der normal große Roadster-Fan freut sich dagegen über erstaunlich bequeme Sitze mit gutem Seitenhalt, eine knackige Schaltung und direkte, exakte Lenkung - der Technikspender Mazda lässt grüßen.

Wem die Leidenschaft von 140 PS nicht ausreichend erscheint und nicht allzu sehr auf den Preis achten muss, der kann gleich zum 170 PS starken Abarth 124 Spider greifen. Der bietet für gut 15.000 Euro Aufpreis mehr Power, eine umfangreichere Ausstattung und vor allem den stimmgewaltigen Auftritt eines regelrechten "Don Krawallo": Abarths Krawallbruder hört man meistens lange, bevor man ihn irgendwann zu sehen bekommt. Erkennungsmerkmal: Die mattschwarz lackierte Motorhaube, das hat bei Fiats Haustuner schon lange Tradition. Das Fahrwerk des lautstarken Abarth 124 Spider fällt noch etwas straffer aus als beim Fiat, für besseren Grip sorgt ein mechanisches Sperrdifferenzial, knallrote Bremszangen vom italienischen Spezialisten Brembo sowie innenbelüftete Bremsscheiben heben die leistungsstärkere 124er-Version vom braveren Bruder ab. Dazu reichlich optische Merkmale, allen voran rote Zierelemente sowie die markanten rot-gelben Abarth-Logos samt bissigem Skorpion.

Röcheln, Fauchen, Röhren: Manchmal klingt der Abarth-Roadster wie ein erkälteter oder verärgerter Tenor. Auf Dauer wird manchem Insassen die Soundkulisse zu vordergründig, vor allem auf Langstreckenfahrten mit höheren Drehzahlen. Doch im typischen Einsatz imponiert der Klang des Sport-Roadsters, der seine dynamischen Fähigkeiten akustisch zum Ausdruck bringt. Der Abarth 124 Spider hält, was sein auffälliges Äußeres verspricht. Auch mit spürbar höherer Agilität setzt er sich vom ohnehin wieselflink zu fahrenden Fiat 124 Spider ab. Der hat vom Technikspender Mazda MX-5 das Roadster-typische Gokart-Feeling geerbt. Und als weitere, sehr wichtige Zweisitzer-Tugend: Ein leicht handhabbares Verdeck, das man vom Sitz aus öffnen und schließen kann. Der Abarth sattelt in vielerlei Hinsicht noch eins drauf. Dass er dabei nicht mal mehr Sprit verbraucht - geschenkt. Wichtiger dagegen: Seinen Aufpreis ist der außergewöhnlich bissige Roadster mit Skorpion im Logo wert. Wenngleich die Vernunft sagt: Der Fiat 124 Spider ist bereits Italo-Feeling genug und röchelt auch schon ganz nett.

Ralf Schütze / mid

Technische Daten Fiat 124 Spider
Zweisitziger Roadster, Länge/Breite(ohne Spiegel)/Höhe/Radstand in Meter: 4,05/1,74/1,23/2,31, Leergewicht: 1.125 kg, zul. Gesamtgewicht: 1.315 kg, max. Zuladung: 190 kg, Kofferraumvolumen: 140 l, Tankinhalt: 45 l, Preis: 24.990 Euro.
Motor: Reihen-Vierzylinder-Turbobenziner, Hubraum: 1.368 ccm, Leistung: 103 kW/140 PS bei 5.000 U/min, max. Drehmoment: 240 bei 2.250 U/min, Beschleunigung 0 bis 100 km/h: 7,5 s, Höchstgeschwindigkeit: 217 km/h, Normverbrauch: 6,4 l pro 100 km, CO2-Ausstoß: 148 g/km, Sechsgang-Handschaltung, Hinterrad-Antrieb.

Abweichende Daten Abarth 124 Spider:
Leergewicht: 1.155 kg, zul. Gesamtgewicht: 1.315 kg, max. Zuladung: 180 kg, Preis: 40.000 Euro. Motor: Leistung: 125 kW/170 PS bei 5.500 U/min, max. Drehmoment: 250 bei 2.500 U/min, Beschleunigung 0 bis 100 km/h: 6,8 s, Höchstgeschwindigkeit: 224 km/h.

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