Motor-Messe

Tokyo Motor Show 2017: Der Lack ist ab

  • Hans-Robert Richarz/ampnet
  • In MOTOR-MESSEN
  • 30. Oktober 2017, 10:45 Uhr

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Der 45. Ausgabe der einst für die Autowelt so wichtigen Ausstellung ist der Glanz vergangener Jahre abhanden gekommen. Abgesehen von ein paar wenigen Highlights wie zum Beispiel dem Brennstoffzellen-Fahrzeug FCV Clarity von Honda, den beiden Styling-Studien Vision Concept und Kai Concept von Mazda - letzteres könnte einen Vorgeschmack auf das Aussehen der Nachfolger des Mazda6 geben - oder dem pfiffigen Elektroauto Honda Sports EV Concept gab es wenig zu sehen, was die weite Reise ins Land der aufgehenden Sonne gelohnt hätte.

,,Beyond the Motor" lautet das Motto der Messe, womit die Macher ausdrücken wollten, dass es ihnen nicht nur um das Auto, sondern die Mobilität der Menschen an sich ging.

Den amerikanischen Automobilherstellern war das schnuppe. Sie waren gar nicht erst erschienen. Die meisten Europäer hingegen waren vertreten, allerdings mit gebremstem Schaum. Denn die ehemals so wichtige asiatische Leitmesse hat den Anschluss zur Weltspitze verloren. Nur 15 inländische und 19 ausländische Marken ließen sich abgesehen von einigen Exoten blicken. Während sich vor ein paar Jahren noch die gesamte Autowelt in Tokio als Tor zum wichtigen Markt im gesamten Fernen Osten gegenseitig auf die Füße trat, ist die Show von heute in der Hauptsache ein Schaufenster für die einheimische Industrie geworden. Selbstverständlich spielen auch bei ihr autonome Fahrweise und der Elektroantrieb - ob als Hybrid, Plug-in-Hybrid oder vollelektrisch - eine wichtige Rolle. Doch der einzige Unterschied zur westlichen Konkurrenz liegt offensichtlich darin, dass sich die Japaner intensiver als andere mit der Brennstoffzelle beschäftigen.

Von europäischen Überlegungen, dem Verbrennungsmotor nicht nur den Kampf anzusagen, sondern ihn demnächst ganz zu verbannen, ist in Japan nichts zu spüren. Das mag auch daran liegen, dass im Großraum Tokio mit seinen 35 Millionen Einwohnern und einem ausdauernden Verkehrschaos Autoabgase eine weniger belastende Rolle spielen als in China oder Europa. Die Nähe zum Meer mit seinen beständigen Winden sorgt offenbar im Reich Kaiser Akihitos meist für frische Luft.

Ist so auch zu erklären, dass hier der Dieselmotor eine zweite Karriere erlebt und der Markt für ihn sogar expandiert? Die japanische Regierung verliert kein schlechtes Wort über diese Antriebstechnik und fördert sie steuerlich sogar. Immerhin beträgt der Anteil der nach Japan importierten Fahrzeuge mit Selbstzünder die Hälfte. Der Volkswagen-Konzern, der seine Spitzenreiterrolle als ausländischer Lieferant in Japan abgeben musste, bläst zum Beispiel mit den TDI-Versionen der Passat-Baureihe ab dem kommenden Jahr zum Angriff. Jürgen Stackmann, VW-Vorstandsmitglied für Vertrieb und Marketing, will so verlorenes Terrain wieder gut machen, erklärte er auf dem Stand seiner Marke. Ein Übriges will er mit dem voll elektrischen E-Golf in Japan erreichen: ,,Wir sind damit gemeinsam mit Nissan in der ersten Welle der E-Fahrzeuge in Japan."

Doch das alles ändert nichts daran, dass die Tokyo Motor Show ebenso als Tummelplatz der internationalen Autoindustrie wie als Spielwiese avantgardistischer Techniker ins Hintertreffen geraten ist. Dabei gibt es bei genauerem Hinsehen immer noch das eine oder andere versteckte Highlight zu entdecken. Da präsentierten zum Beispiel zwei Studenten der renommierten Aichi Highschool of Technology and Engineering der Weltpresse ein winziges, aber interessantes vollelektrisches Leichtgewichtsvehikel für den Innenstadtverkehr namens Collapse, für das der Hebel einer Playstation die Rolle eines Lenkrads ausfüllte. Gerne hätte die Journaille aus aller Welt mehr über das Projekt erfahren. Doch die beiden bescheidenen jungen Männer sprachen kein Wort Englisch und das Faltblatt mit Infos enthielt ausschließlich japanische Schriftzeichen. (ampnet/hrr)

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