New York International Auto Show

Automesse in New York: Die neue Nummer Eins in den USA

  • Jens Meiners, cen/ampnet
  • In MOTOR-MESSEN
  • 4. April 2018, 11:51 Uhr

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Die amerikanische Messelandschaft ist in Bewegung - denn die langjährige unangefochtene Nummer Eins, die NAIAS in Detroit, muss den angekündigten Abgang von BMW und Mercedes-Benz verdauen und reagiert - hastig, aber dennoch viel zu spät - mit einer Verlegung in den Oktober. Die Messe Los Angeles ist weit weg von den amerikanischen "Big Three". Bleibt New York: Die einstige B-Messe entwickelt sich zum wichtigsten Treffpunkt der Branche auf US-amerikanischem Boden.

Die Pressetage wurden von der Verleihung des "World Car of the Year" eingeläutet, bei der abermals drei Crossover-SUV die Bühne als Finalisten zierten: Der Mazda CX-5, der Range Rover Velar und der Volvo XC 60. Letztlich errang der schwedische SUV den Sieg - ein Symbol für den unaufhaltsamen Siegeszug dieser Fahrzeugkategorie, aber auch für die Markenstrategie von Volvo, die auf skandinavisch-puristisches Design und sparsame Antriebe setzt.

Big Three mit Blickfängen

Im Gegensatz zur Detroiter Messe sind in New York nahezu alle wichtigen Hersteller mit eigenem Stand vertreten. Damit kann von einer Dominanz der "Big Three", wie in Detroit, keine Rede sein. Dennoch gibt es auch bei ihnen einiges zu sehen, wobei sich der Fiat-Chrysler-Konzern mit Neuerscheinungen zurückhält. Doch der Jeep Wrangler und der Ram-Pickup, erst vor wenigen Monaten vorgestellt, besitzen noch genügend Neuigkeitswert. Und Dodge begeistert die Massen weiterhin mit den extrem starken, kompressoraufgeladenen Derivaten der Muscle Cars Charger und Challenger.

Ford verpasst der US-Variante des Mondeo namens Fusion ein leichtes Facelift; Assistenzsysteme mit 360-Grad-Überwachung sind nunmehr Standard. Und die noble Konzerntochter Lincoln präsentiert eine seriennahe Studie des Crossover-Geländewagens Aviator, der auf dem kommenden Ford Explorer basiert. Bei diesen Modellen kehren die Amerikaner zu einer hinterradgetriebenen Fahrzeugarchitektur zurück.

Blickfang bei GM ist die Cabriolet-Version der 766 PS starken Corvette ZR-1, weitaus bedeutender jedoch ist der kompakte Crossover Cadillac XT4, der direkt mit dem BMW X1 und dem neuen Lexus UX konkurriert. Die sensationelle, leichte Luxuslimousine CT6 kommt mit einem 558 PS starken 4,2-Liter-V8-Turbo, der ausschließlich Cadillac vorbehalten ist. Vielleicht gelingt den neuen Modellen ein erfolgreicher Einstand in Europa. Übrigens: Cadillac wird auch Dieselvarianten einführen.

Asiaten mit wichtigen Debüts

Als absoluter Höhepunkt der Messe figuriert die Sportwagen-Studie Essentia auf dem Stand der noblen Hyundai-Tochter Genesis. Mit einem Kohlefaser-Monocoque und Elektroantrieb zeigt der Essentia Supercar-Proportionen, verweist jedoch darüber hinaus auf die Formensprache künftiger Serienmodelle. Der handwerkliche Standard ist übrigens anderen Concept Cars - auch aus dem VW-Konzern - deutlich überlegen.

Neben dem Essentia zeigt Genesis die Sportlimousine G70 im Serientrim; sie kommt zur Freude der Puristen auch mit Sechs-Gang-Handschaltung. Die Kia-Luxuslimousine K900 geht mit äußerst konservativem Design in die zweite Modellgeneration; passend dazu hat sich Kia mit der Schweizer Uhrenmarke Maurice Lacroix zusammengetan, die sich durch überladenes, wenig innovatives Design auszeichnet. Und so wird die Armaturentafel des K900 von einem Zifferblatt mit der Etikettierung "Maurice Lacroix Masterpiece" gekrönt. Hyundai zeigt einen überzeugenden neuen Santa Fe, während beim Tucson die Turboversion zugunsten konventioneller Saugmotoren gestrichen wird.

Auch beim neuen Subaru Forester muss die Turboversion weichen. Die laxeren Verbrauchs- und Emissionswerte der Trump-Regierung scheinen zu einer Renaissance kostengünstiger und weniger komplexer Saugmotoren zu führen. Den Verbraucher dürfte es kaum stören, zumal die Realverbräuche der bewährten Aggregate oftmals näher an den Zykluswerten liegen als bei hochgezüchteten Turbomotoren.

Der neue Toyota RAV4, der den Camry als meistverkauftes Auto unterhalb des Pickup-Segments ersetzt hat, kommt ebenfalls mit Saugmotor, wahlweise als Hybrid. Nissan lanciert einen völlig neuen Altima, gegen Aufpreis mit variabler Verdichtung. Und Lexus stellt den aggressiv gezeichneten, kompakten Crossover UX vor, der auf dem Toyota CH-R basiert.

Europa legt vor

Mit der Weltpremiere des RS5 Sportback unterstreicht Audis Performance-Tochter Audi Sport, welche Bedeutung der US-Markt besitzt. Die 450 PS starke Fließheck-Limousine kommt zuerst in Amerika und erst dann in Europa und Asien auf den Markt. Mercedes-Benz präsentiert eine geliftete C-Klasse inklusive ihrer AMG-Varianten, und bei Volkswagen werden mit den Studien Atlas Cross Sport sowie Atlas Tanoak Pickup die Grenzen der MQB-Architektur ausgelotet.

Jaguar Land Rover zeigt mit dem vollelektrischen Jaguar I-Pace, wie man einen Elektro-Crossover sauber gezeichnet, durchkonstruiert und zeitplangetreu auf die Straße bringt. Gleichzeitig feiern die Engländer noch einmal die alte V8-Herrlichkeit mit dem 550 PS starken Jaguar F-Pace SVR und dem 565 PS starken Range Rover SV Coupé. Als ziemlich statisch wirkender Zweitürer kehrt dieses "Coupé", das auch als zweitüriger Kombi durchgehen würde, zu den Wurzeln der Baureihe zurück, allerdings in nur 999 Einheiten und zu einem exorbitanten Preis von rund 300 000 Euro.

Blick in die Zukunft

Die rituelle Glorifizierung der E-Mobilität und des autonomen Fahrens fiel diesmal weniger schillernd als gewohnt aus. Elektro-Pionier Tesla hat sich abermals entschieden, die Messe in New York zu schwänzen. Gesprächsthema war die US-Marke trotzdem, denn die Produktion des hochgepriesenen Model 3 will nicht in Fahrt kommen. Noch immer verfehlt Tesla die Produktionsziele weit, und die Qualitätsmängel der wenigen ausgelieferten Fahrzeuge sind gravierend.

Zu allem Überfluss hat sich nur wenige Tage vor der Messe in Kalifornien ein tödlicher Unfall mit einem Tesla ereignet: Ein Model X ist mit eingeschaltetem "Autopiloten" ungebremst in eine Betonbarriere gerast. Das Elektroauto fing Feuer, der Fahrer starb im Krankenhaus. Und vor zwei Wochen hat ein Volvo-Testfahrzeug des Taxi-Dienstleisters Uber bei Testfahrten in Arizona eine Radfahrerin tödlich verletzt. Gleichzeitig tauchte hinter der Vision des autonomen Fahrens ein großes Fragezeichen auf. Weder bei Ford noch bei Jaguar wurden die entsprechenden Exponate in den Vordergrund gerückt.

Langfristig könnte sich die Markenlandschaft übrigens noch einmal gründlich verändern: Dies ist das Ergebnis des Global Trends Report 2018, den die Beratungsfirma Prime Research auf Grundlage einer Befragung der 82 WCOTY-Juroren erstellt hat. Dem Expertengremium zufolge werden neue Marken auftauchen: ,,Es war nie billiger, eine Marke aufzubauen", sagt einer von ihnen. Autonomes Fahren werde zahlreiche neue Geschäftsfelder eröffnen, die besten Chancen hätten dabei Zulieferer sowie neue Player, die ohne Ballast agieren können. Die Journalisten glauben übrigens weiterhin an das batterie-elektrische Auto: Es wird mittlerweile für das vielversprechendste Zukunftsmodell gehalten.

Auch auf Zulieferseite ist in New York einiges zu sehen. Autoneum stellte Konzepte und Ideen vor, mit denen der Komfort von Elektroautos nochmals gesteigert werden kann, und die italienische Kultmarke Brembo glänzt unter anderem mit einem extrem leichten und steifen Aluguss-Festsattel, der beim Pagani Huayra BC zum Einsatz kommt. Der Supersportwagen dient gleichzeitig als Blickfang auf dem Brembo-Stand im Eingangsbereich der Messe. Und damit ist er genau richtig plaziert. Denn die New York International Auto Show ist jetzt die Nummer Eins unter den US-Automessen. (ampnet/jm)

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