Grenzwert-Diskussion

Kommentar: Jeder Prügelknabe hat eine gelbe Weste

  • Peter Schwerdtmann/ampnet
  • In UMWELT
  • 18. Dezember 2018, 15:07 Uhr

.

Wer den Kommentaren zur neuerlichen Verschärfung der Emissionswerte von Kohlendioxid für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zuhört, wird einen Unterton wiedererkennen, der schon seit Beginn der Debatte durchklang: Schadenfreude, die Freude daran, große Industrien auf einer moralischen Ebene anzugreifen, auf der es keine Fakten braucht. Der Genosse Trend kennt gerade beim Auto keine Gnade. Politisch höchst korrekt wurde das Auto so zum Prügelknaben.

Zur Erinnerung: Der Prügelknabe musste die Strafen für die Missetaten des adeligen Nachwuchses ertragen. Genauso gerecht wird heute mit dem Auto und seinen Herstellern umgegangen. Der gesamte Autoverkehr ist mit gut einem Zehntel an den sogenannten Treibhausgasen beteiligt und dennoch prügeln alle auf die Pkw und leichten Nutzis ein, als könnten sie damit die Welt retten. Dabei merken die Bürger eines nicht: Sie selbst sind längst die Prügelknaben.

Die Enteignung der Pkw-Besitzer durch die Feinstaub-Plakette war der erste spürbare und für viele teure Schlag ins Kontor. Gerichte hatten zwar festgestellt, dass die Feinstaubbelastung die Maßnahme nicht rechtfertigte. Doch sofort deutete sich der zweite Hieb an: die Stickoxide. Fachleute lachen inzwischen über die Grenzwerte. Aber den Autofahrern wird nicht zum Lachen zumute sein. Denn nun kommt mit den Fahrverboten die zweite Enteignungswelle auf sie zu, für Dieselfahrer ist es eigentlich schon die dritte, weil die schon den enormen Wertverlust ihrer Autos hinnehmen müssen.

Der Bürger zahlt und wird weiter zur Kasse gebeten werden, über höhere Preise für sein noch stärker abgasreduziertes Auto mit Verbrennungsmotor oder über den Zwang, lieber gleich ein Elektroauto zu kaufen. Gleichzeitig muss er ertragen, wie ihm der Boden unter den Füßen weggezogen werden soll, weil bestimmte Politiker, Verbände, Vereine, Freaks und natürlich die lieben Nachbarn, die nicht von der Autoherstellung leben, der deutschen Automobilindustrie allzu gern an den Kragen wollen.

Der Klimaschutz stellt dafür die beste denkbare Begründung dar, ebenso der moralisch und rechtlich zweifelhafte Umgang mit Grenzwerten. Aber wo bleibt die Verhältnismäßigkeit? Denkt man über diese Frage nach, drängt sich einem der Gedanke auf, nicht allen gehe es hier um saubere Unternehmen und saubere Produkte. Es geht auch um Lernerfolge. So wie der Prügelknabe die Strafe auf sich nehmen musste, damit der junge Adelige dabei etwas lernt, so lassen sich auch bei den Beteiligten durchaus pädagogische Ansätze entdecken: Das Auto muss weg!

Die Umweltplakette liefert ein passendes Beispiel: Sie wurde vor zehn Jahren eingeführt. Die Autos, die damals mit gelber oder roter Plakette fahren mussten, sind in der überwiegenden Mehrzahl längst im Recycling gelandet. Wird die Umweltzone nun wieder aufgehoben?

Es sind nur noch wenige Städte in Deutschland, in denen der Stickoxid-Grenzwert überschritten wird. Wenn die technische Entwicklung weiterläuft wie bisher, werden schon bald alle neuralgischen Stellen besser liegen als verlangt. Hat schon mal jemand darüber nachgedacht, wie die Fahrverbote dann verschwinden?

Weil es keinen Automatismus für den Ausstieg gibt, wirken beide Verfahren als pädagogische Maßnahmen zur Umerziehung der Gesellschaft. Der damalige Umweltminister Jürgen Trittin hat mir persönlich einst auf die Frage nach der Aufhebung der Rückgabepflicht von Batterien geantwortet. Auch wenn die keine Giftstoffe mehr enthielten, werde es kein Zurück geben: ,,Was der Bürger gelernt hat, hat er gelernt. Wir werden ihn nicht verunsichern."

Mit dieser Denkweise wird es also weitergehen mit den begründeten, aber vorwiegend unbegründeten Schlägen gegen den Pkw und seine Benutzer. Und weiterhin werden wir ,,Knaben" die Prügel einstecken, und wir tragen es immer noch, obwohl wir alle in unseren Autos - ganz nach Vorschrift - mindestens eine gelbe Weste mitführen. (ampnet/Sm)

STARTSEITE