Historie

Die mid-Zeitreise: Im September 1971 keine IAA in Frankfurt

  • Motor-Informations- Dienst (mid)
  • In MOTOR
  • 14. Juni 2019, 16:40 Uhr

Am 25. Januar 1971 berichtete der Motor-Informations-Dienst (mid) im 20. Jahrgang über die Absage der IAA in Frankfurt.


Am 25. Januar 1971 berichtete der Motor-Informations-Dienst (mid) im 20. Jahrgang über die Absage der IAA in Frankfurt.

Sind Auto-Salons noch zeitgemäß?

Der Entschluss des Verbandes der Automobilindustrie, die für September fällige Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) kurzfristig abzusagen, hat nicht nur in Fachkreisen Aufsehen erregt. Das "Schaufenster der Welt", sowieso nur alle zwei Jahre in der Bundesrepublik geöffnet, bleibt 1971 geschlossen. Des Bundesbürgers liebstes Kind zieht dieses Jahr keine Hunderttausende nach Frankfurt, bedroht nicht den Verkehr der Main-Metropole, garantiert keine neuen Besucherrekorde. Der Frankfurter Messegesellschaft dürften an die 2 Millionen DM Standgelder verlorengehen, der Frankfurter Gastronomie, dem Einzelhandel und der Hotellerie aber ein Vielfaches mehr.

Ungeachtet all dieser Verluste hat sich die deutsche Automobilindustrie zu diesem Schritt entschlossen. Sie begründet ihn mit wirtschaftlichen Argumenten, die zwar einleuchtend sind, dem Laien aber dennoch nicht eingehen werden. Der Ausfall, der vielleicht die Zubehörindustrie am stärksten trifft, bedeutet nun nicht, dass der VDA in Zukunft ganz auf repräsentative Automobilausstellungen in der Bundesrepublik verzichten will. Doch der Turnus soll überprüft werden und vielleicht einen anderen Rhythmus erhalten als bisher, ungeachtet der Tatsache, dass die ausländischen Ausstellungen vorerst ihren einjährigen Turnus beibehalten. An ihre Beschickung werden dem Vernehmen nach die deutschen Automobilfabriken auch festhalten, wie es zur Zeit in Brüssel und Amsterdam demonstriert wird und wie es Genf, Turin und Paris zeigen werden.

Der Widerspruch, dass die deutsche Ausstellung für deutsche Automobilfabriken zu teuer ist, die ausländischen aber finanziell darstellbar sind, erklärt sich aus dem bombastischen Stil, der sich in Frankfurt entwickelt hat. Daran sind die großen Automobilfabriken nicht schuldlos, auch wenn sie in den letzten Ausstellungsjahren bereits zu einer Selbstbeschränkung geschritten sind. Die ausländischen Salons sind wesentlich bescheidener und durch die Konzentration auf einen großen, zusammenhängenden Hallentrakt auch übersichtlicher. Da sie außerdem aus exporttechnischen Gründen beschickt werden müssen, wird der scheinbare Widerspruch erklärlich.

Dennoch erhebt sich nach dem VDA-Schritt die grundsätzliche Frage, ob wir überhaupt noch Automobil-Ausstellungen brauchen. Sind sie noch zeitgemäß? In früheren Jahren waren sie Premieren-Schau einer Industrie, die am Jahresanfang (Brüssel - Amsterdam - Genf) das Sommergeschäft einleitete und im Herbst (Frankfurt/Main - Paris - Turin, mit Einschränkung London) die Winterflaute überbrückte. Inzwischen werden Novitäten von den Firmen nicht mehr nach diesen Salon-Schwerpunkten auf den Markt gebracht, sondern nach produktions- oder markttechnischen Gegebenheiten. Eine echte Weltpremiere auf einem Salon gehörte in den letzten Jahren schon zu einer Sensation - in fast allen Fällen waren die Wagen bereits vorher über die Presse der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Das wird sich mehr noch als bisher verstärken und den Auto-Salons den Nimbus der Neuheiten-Schau ganz nehmen.

An ihre Stelle könnten in Zusammenarbeit mit den Händlern organisierte regionale Ausstellungen treten, die für den Veranstalter und die Firmen billiger und für eine noch größere Zahl von Interessenten als bei einer zentralen Mammutschau ohne Verkehrsbehinderung erreichbar sind. Außerdem würden die Sichtmöglichkeiten besser sein als bei den besonders an den Wochenenden überlaufenen Salons, die infolge des Massenansturms von Besuchern überhaupt keine echte Aussagekraft haben. Solche Regionalausstellungen könnten als wesentlich billigeres Element der Repräsentation den Salons bald den Rang ablaufen, auch wenn zur Zeit noch die Glanzpunkte Genf, Paris, Turin wie Rubinsteine herausgeputzt werden. Der Rotstift der Marktstrategen ist auch hierfür schon gespitzt und Frankfurt ist vielleicht nur das Menetekel an der Wand, der Anstoß, der den Stein ähnlicher Entschlüsse ins Rollen bringt.

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