Elektromobilität

mid-Interview: Vom Super-Roller bis zum Elektro-Roadster

  • Ralf Schütze
  • In MOTOR
  • 19. Juni 2019, 12:25 Uhr

Seit 1. Mai 2018 leitet Dr. Markus Schramm die Geschicke von BMW Motorrad. Im Exklusiv-Interview mit dem Motor-Informations-Dienst (mid) verrät er Hintergründe zum brandneuen Big Cruiser ''BMW Motorrad Concept R 18'', auf dessen Basis die Traditionsmarke 2020 ein neues Segment bedienen und neue Kunden gewinnen will. Außerdem lüftet er Geheimnisse zu den Plänen mit der Elektro-Mobilität.

Seit 1. Mai 2018 leitet Dr. Markus Schramm die Geschicke von BMW Motorrad. Im Exklusiv-Interview mit dem Motor-Informations-Dienst (mid) verrät er Hintergründe zum brandneuen Big Cruiser "BMW Motorrad Concept R 18", auf dessen Basis die Traditionsmarke 2020 ein neues Segment bedienen und neue Kunden gewinnen will. Außerdem lüftet er Geheimnisse zu den Plänen mit der Elektro-Mobilität.

mid: Mit einem künftigen Cruiser auf Basis des BMW Motorrad Concept R 18 Super-Boxer erweitert BMW Motorrad abermals sein Portfolio erheblich. Bringt dieser Schritt auch Risiken fürs Marken-Image?

Markus Schramm: Wir bei BMW Motorrad haben uns in den letzten Jahren erfolgreich darauf konzentriert, uns so weiterzuentwickeln, dass die Marke ein breiter werdendes Portfolio auch trägt. Wir können auf der einen Seite urbane Mobilität darstellen. Wir können aber auch hochemotional im Custom Bike-Segment unterwegs sein, wie die BMW R nineT schon gezeigt hat. Von daher bin ich fest davon überzeugt, dass wir die einzigen sind, die als Marke diese große Bandbreite glaubwürdig darstellen können. Wir waren ja auch lange Zeit nicht im Superbike-Segment vertreten - und haben das dann mit der S 1000 RR dennoch mit Bravour geschafft. Dazu braucht man eine Marke, die diese Breite verträgt. Wenn wir in dieser Hinsicht Schwächen hätten, wäre es eine riskante Strategie. Aber ich bin sicher, dass wir als BMW Motorrad auch mit einem Bike wie der R 18 ein authentisches Angebot schaffen können.

mid: In welche weiteren Richtungen kann sich die Marke BMW Motorrad in naher Zukunft noch ausbreiten?

Markus Schramm: Wir denken in diesen drei großen Bereichen: Urbane Mobilität, bei der die Menschen dank Konnektivität vernetzt sind und wo Modernität im Vordergrund steht. Das ist ein völlig anderes Segment als am anderen Ende die emotionale Custom-Szene. Und dazwischen in der Mitte haben wir unser wichtiges Kerngeschäft, wo es um Technologie, Innovationen, Geschwindigkeit und Leistung geht, ob on- oder offroad. Diese drei Bereiche und die dahinterstehenden Kunden sind komplett unterschiedlich. Wir sind sehr stark daran interessiert, diese drei so verschiedenen Segmente jeweils mit idealen Produkten bedienen zu können.

mid: Was muss man denn beachten, um immer unterschiedlichere Zielgruppen anzusprechen?

Markus Schramm: "Make life a ride" lautet unser Marken-Claim, also das Leben der Motorradfahrer mitzugestalten und auf ihre Bedürfnisse die jeweils ideale Antwort zu geben. Und das ist nicht nur eine Produktantwort, sondern viel mehr. Dazu gehört ein ganzes Erlebnisangebot wie Motorradreisen oder Events wie "Pure & Crafted", wo wir die Heritage-Szene bedienen. Auch wenn wir im urbanen Umfeld noch mehr anbieten werden ist die Marke wie gesagt breit genug aufgestellt, um all das zu tragen. Es reicht heute einfach nicht mehr, nur ein Produkt hinzustellen. Und ein weiterer Erfolgsgarant im Wettbewerb ist die Innovationsführerschaft, die wir in allen unseren Motorrad-Segmenten aufrechterhalten wollen. Auch steht bei uns stets die Dynamik im Vordergrund. Und ein weiterer Kernwert unserer Marke: Wir sind neugierig, hören auf unsere Kunden, deshalb können wir den Menschen stets die richtigen Lösungen anbieten. Und das gilt in allen von uns bedienten Marktsegmenten.

mid: War der R 18-Motor jemals umstritten als Antrieb für BMWs künftigen Big Cruiser?

Markus Schramm: Nein, wir waren von Beginn an voll überzeugt davon, dass wir diese technische Lösung auf gewohntem BMW-Niveau umsetzen können. Und jetzt sind wir soweit, dass wir das schon im zweiten Halbjahr 2020 auch serienmäßig unter Beweis stellen können. Die Dimensionen samt 1,8-Litern Hubraum waren eine Grundvoraussetzung dafür, dass Sie einen Motor als Kernstück eines solchen Motorrads derart inszenieren können. Und es war immer klar, dass der Concept R 18-Antrieb ein Boxer sein muss. Dahinter stecken auch Marktforschungen, bei denen für uns überraschend herauskam: Die Kunden in diesem Segment interessieren sich weitgehend gar nicht für die Technologie der Motoren. Meist legen sie vor allem Wert auf Optik und Drehmoment. In beidem ist der R 18-Boxer über jeden Zweifel erhaben.

mid: Hatten Sie als Chef von BMW Motorrad bereits die Möglichkeit, den Prototypen Concept R 18 zu testen?

Markus Schramm: Ja, ich bin ihn schon gefahren. Wenn man da draufsitzt, dann ist der Blick unweigerlich auf dieses Unikat von Motor gerichtet. Da müssen Sie direkt aufpassen, dass Sie die Augen auf der Straße lassen und sich nicht dauernd erfreuen an dieser Skulptur. Sie sitzen wirklich auf einem Kunstwerk, wenn Sie die R 18 fahren, das ist ungemein faszinierend.

mid: Wie groß ist das Segment der Big Cruiser, in das Sie jetzt stoßen werden?

Markus Schramm: Wir reden hier zunächst über das Segment der Motorräder mit über 500 ccm Hubraum. Das sind rund 1 Million Motorräder weltweit pro Jahr. Und daran beträgt der Cruiser-Anteil über 350.000. Das ist also richtig signifikant, und von daher tun sich für uns große neue Chancen auf.

mid: Welchen Fahrplan für weitere neue Modelle und Segmente der kommenden Jahre können Sie uns heute verraten?

Markus Schramm: Im Bereich Big Cruiser ist die Schlagzahl jetzt klar, mit einem Cruiser auf Basis der Concept R 18 werden wir im zweiten Halbjahr 2020 in ein sehr großes neues Segment einsteigen. Das ist von daher für uns eine dominante Richtung, die wir hier einschlagen. Und die andere Richtung ist die urbane Mobilität. Und da werden Sie in nicht allzu weiter Ferne interessante neue Angebote von BMW sehen.

mid: Womit muss oder darf man denn rechnen, wenn es um neue Angebote von BMW Motorrad in Sachen Elektromobilität geht?

Markus Schramm: Im urbanen Umfeld sehe ich kommende Produkte von uns rein elektrisch, auch für die vielen Commuter (Anmerkung der Redaktion: Commuting = Regelmäßige Mobilität zwischen Wohnort und Arbeitsplatz). Aber es gibt auch noch weitere Nischen, wo es vor allem um die Emotionalität und den Spaß geht. Und da werden wir mit Angeboten kommen, mit denen man heute vielleicht noch nicht so rechnet. Auch bei einem Roadster könnte zukünftig Elektro-Mobilität einfach Spaß machen. Natürlich fehlt zunächst das gewohnte Motorgeräusch. Aber: Die pure Beschleunigung und damit das pure Fahrerlebnis von einem Power Roadster ist auch etwas Tolles. Deshalb werden wir es sicherlich schaffen, auch hierbei genügend Emotionalität zu vermitteln, und da freue ich mich auch schon drauf. Auch da werden Sie schon bald etwas von uns hören.

mid: Welches Motorrad fahren Sie derzeit privat?

Markus Schramm: Momentan fahre ich mit Begeisterung die S 1000 XR, besonders in der speziellen Ausführung "Blackstorm metallic" ist das ein super schönes Motorrad. Für mich als Zwei-Meter-Mann ist die XR ideal für meine privaten Wochenend-Touren.

mid: Wie sieht es derzeit mit BMW Motorrads ehrgeizigem Plan aus, bis 2020 stolze 200.000 motorisierte Zweiräder pro Jahr abzusetzen?

Markus Schramm: Da sind wir auf einem sehr guten Weg. Denn seit vielen Jahren bewegen wir uns von einem historischen Bestwert zum nächsten: 2015 lagen wir noch bei jährlich 136.963 weltweit verkauften Motorrädern und Rollern, 2018 waren es schon 165.566. 2019 streben wir ein weiteres Rekordjahr an, vor allem dank der neuen 1250er Boxer Modelle, der neuen S 1000 RR und der jetzt kompletten Familie von GS-Modellen der Mittelklasse (F 750 GS, F 850 GS und F 850 GS Adventure). All das wird unsere Verkaufszahlen weiter positiv beeinflussen, und so sehen wir dem Jahr 2020 äußerst optimistisch entgegen.

Ralf Schütze / mid

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