Fahrbericht

Kleiner machen, Leute!

  • Wolfgang Tschakert
  • In FAHRBERICHTE
  • 6. August 2019, 08:53 Uhr

Downsizing bei MAN, der Lkw-Hersteller aus München ersetzt seine 10,5-Liter-Diesel durch neue Sechszylinder mit neun Liter Hubraum. Die neuen D15-Motoren sollen sogar für 40 Tonnen gut genug sein. Ein echter Härtetest - wie schlägt sich der halbstarke Diesel auf der Straße?


Downsizing bei MAN, der Lkw-Hersteller aus München ersetzt seine 10,5-Liter-Diesel durch neue Sechszylinder mit neun Liter Hubraum. Die neuen D15-Motoren sollen sogar für 40 Tonnen gut genug sein. Ein echter Härtetest - wie schlägt sich der halbstarke Diesel auf der Straße?

Die Reihensechser, jetzt ohne Abgasrückführung und nur mit SCR-Technik Euro 6d-sauber, sind rund 230 Kilo leichter als die Vorgänger, damit spricht MAN nutzlastsensible Transporte an. Ein Fall für Tank- und Silotransporter, für schwere Solo-Lkw, auch für gewichtsoptimierte Vierachser - oder eben Kippsattelzüge, die ja die Hälfte ihrer Jobs leer verkehren. Doch was kann man einem modernen Neunliter-Diesel zumuten? Wir sind neugierig und klemmen uns hinters Steuer des MAN TGS vom Typ 18.400.

Die Zugkombination mit gewichtsoptimiertem Kippsattelauflieger von Fliegl soll laut Datenblatt knapp 40 Tonnen wiegen. Ein Blick unter die Plane - könnte stimmen: Die 25-Kubikmeter-Alumulde ist zu 80 Prozent gefüllt. Rund um die TGS-Sattelzugmaschine ist ja alles vertraut. Es geht vier Stufen nach oben, dann empfängt der MAN seinen Fahrer mit bekanntem Cockpit. Zwei Displays am Armaturenträger sind neu, sie vermitteln bei Rangierfahrten ein weites Blickfeld rechtsseitig und rund um den Lastzug - man muss nur die vielen Blickfänger auch im Blick halten.

Jetzt aber los, der D15 bollert voller Vorfreude im Untergeschoss. Er klingt wie ein Großdiesel, nicht flüsterleise im Leerlauf und erst recht nicht unter Volllast. Aber er zieht mit Nachdruck an, da mag man nicht meckern. Die ersten Meter klappt es recht gut, im engen Kreisverkehr bei verzwängten Aufliegerachsen muss der Sechszylinder schon mächtig schaffen. Aber 1.600 Newtonmeter Drehmoment bereits bei 900 Touren sind nicht ohne, ab 1.000 und bis 1.500 U/min serviert er die ganzen 1.800 Nm. So muss sich der Fahrer in der Ebene über mangelnde Dynamik nicht beschweren.

Die Einfahrt in eine stark befahrene Bundesstraße lässt uns dann schon etwas zweifeln. Aber wir haben auch noch nicht unseren letzten Joker ausgespielt. Das automatisierte Tipmatic-Getriebe hält für diese Fälle einen speziellen Schaltmodus (DP = Drive Performance) bereit, der dem TGS-Fahrer ein um 200 Touren erweitertes Drehzahlfeld beschert. Und jetzt marschiert unser MAN, das Einfädeln in den fließenden Verkehr gelingt gleich viel besser. Das Tipmatic-Getriebe mit zwölf Gängen präsentiert sich fitter und flinker als früher. Dahinter steckt eine Traxon-Box von ZF, die Schaltsoftware reklamiert MAN allerdings für sich. Wir haben keine Fehlschaltung registriert, bei jedem Anfahrvorgang passt der Gang, durch die breitere Gangspreizung gelingt jetzt auch das feinfühlige Rangieren besser.

Und noch eine Innovation hält der MAN TGS bereit. Sie macht sich vom Start weg segensreich bemerkbar. Eine neue Aktivlenkung, sie heißt MAN ComfortSteering, führt den 40-Tonner mit betont leichter Hand über die Straße. Eine elektronische Steuereinheit sorgt dafür, dass in jeder Fahrsituation das richtige Maß an elektrischer Unterstützung zur Verfügung steht. Und in der Tat, dem TGS-Fahrer werden keine hohen Lenkkräfte mehr zugemutet - auch nicht vollbeladen und bei der Rangierarbeit. Bei schneller Autobahn- oder Bundesstraßenfahrt reduziert das System die Lenkkraft - gut so: Man spürt die Fahrbahn und fühlt genau, wie sich der TGS den Weg bahnt. Spitze ist auch der neue Spurassistent, den die Aktivlenkung möglich macht. Er warnt jetzt nicht nur, er führt den Lastzug zuverlässig und ganz ohne hektisches Gegenlenken zurück auf die Fahrbahn.

Auch im Gelände lässt sich der Kippsattel zielgenau steuern, ohne gleich jeden Stein und jede Bodenwelle ans Lenkrad weiter zu reichen. Mit dem Offroadmodus DX ist auch gleich die ASR-Funktion abgeschaltet, jetzt darf die Antriebsachse bei losen Untergrund mit mehr Schlupf agieren. Mit voller Nennleistung geht es in die Steigung, bergab muss die Motorbremse zeigen, was sie kann. Sie offenbart sich dabei als echte Überraschung: Sie hält den 40-Tonner mit satten 350 Kilowatt Dauerbremsleistung im Gefälle, kleine Motoren haben für gewöhnlich nicht so viele. Nur der Tipphebel für die Dauerbremse rechts am Lenkrad nervt wie immer, eine intuitive Bedienung geht einfach anders.

Die neueren Wettbewerber haben zwar mit teils besserer Ergonomie die Nase vorn. Aber noch immer brechen wir hier eine Lanze für das TGS-Fahrerhaus. Gerade im rauen Baugeschäft oder im Nahverkehr punktet es mit bequemem Einstieg und großem Platzangebot. Die neuen D15-Motoren sind sicher eine Bereicherung des Portfolios. Sie mögen zwar keine Alleskönner sein, aber im Solobetrieb, im Transportmischer und bei hohem Nutzlastbedarf sind sie eine auskömmliche Alternative.

Wolfgang Tschakert / mid

Technische Daten MAN TGS Typ 18.400:
Antrieb: Reihensechszylinder MAN D1556LF09, obenliegende Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, CR-Hochdruckeinspritzung, Turboaufladung, abgasarm nach Euro 6d mit SCR-Abgasnachbehandlung und Partikelfilter, Hubraum: 9.037 ccm, Nennleistung: 294 kW/400 PS bei 1.800 U/min, max. Drehmoment: 1.800 Nm bei 1.000 - 1.500 U/min, Turbo EVBec-Motorbremse: 350 kW bei 2.200 U/min, automatisiertes 12-Ganggetriebe MAN TipMatic Offroad 1226 OD mit Offroad-Software, EfficientCruise und EfficientRoll. angetriebene AP-Hinterachse mit Differenzialsperre, Übersetzung i = 4,00.

Maße und Gewichte: Radstand: 3.600 mm, Kraftstofftank: 390 l, Adbluetank: 60 l, Leergewicht SZM: 7.270 kg, Testgewicht: 39.000 kg.

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