Fahrbericht

Nissan Qashqai: Champion ohne Rampenlicht

Der Nissan Qashqai ist der versteckte Champion unter den Fahrzeugen seiner Klasse. Der Motor-Informations-Dienst (mid) hat ihn jetzt auf die Probe gestellt.


Zum Wesen eines "Hidden Champions" gehört es, eben nicht beständig als Siegertyp im Rampenlicht zu stehen. Erfolg ergibt sich nicht zwangsläufig aus einer überragenden Eigenschaft. Mehr Erfolg hat mitunter eher der, der in Summe ein stimmiges Paket schnürt. Etwas, das Nissan und seinen Qashqai von Beginn an ausgezeichnet hat.

Selbst der schwer bekömmliche Name ist inzwischen gängig und geläufig. Warum? Weil der Qashqai im Laufe seiner inzwischen bald 13 Jahre währenden Produktionszeit Steher-Qualitäten entwickelt hat. Die Zahl seiner direkten Konkurrenten in der Klasse um 4,40 Meter Länge ist inzwischen schwer überschaubar, beim Blick auf die Zulassungszahlen überrascht dann, wo der Nissan steht: Stets ganz weit vorn. Weit über 300.000 Kunden haben seit dem Verkaufsstart im Januar 2007 einen Qashqai neu in Deutschland zugelassen.

Das ist einerseits schwer und andererseits auch leicht zu erklären. Denn weder Design, noch Technik noch Verbrauchswerte oder der Preis sind hervorragend. Aber genau dieser Zuschnitt ohne echte Ausreißer macht aus, was nicht ohne Grund als Mittelklasse bezeichnet wird. Wer den Durchschnitt am besten beherrscht, muss weder optisch den Überflieger machen, noch mit "Oberklasse-Leistung" punkten, um am Ende, beim Verkauf, die erste Wahl zu sein.

In der Tat hat Nissan an der Form und dem Konzept seit dem ersten Qashqai von 2007 wenig geändert. Die älteren Modelle sehen mithin nicht zwangsläufig alt gegen die neuen Modelle, auch wenn diese natürlich nicht ignorierten, wohin der Trend in der Klasse geht. Die Front hat inzwischen deutlich mehr Glanz - sprich Chrom, wozu auch die - leider optionalen - LED-Scheinwerfer und serienmäßigen 18-Zoll-Räder zählen, die unser Testwagen mit brachte.

Mit der Ausstattungslinie N-Connecta bringt Nissan ziemlich zielsicher das ins Auto und in Serie, was Kunden dieser Klasse auch brauchen und bezahlen wollen. Zum Beispiel optische Hilfe beim Parken und Rangieren, wie sie die 360-Grad-Ansicht mit vier Kameras liefert, die bestens geeignet ist, die schwache Übersicht - besonders nach hinten - wettzumachen. Mit Apple-Carplay und Android-Auto wird die Smartphone-Anbindung so simpel, wie es sein sollten.

Das Navigationssystem mit seinem sieben Zoll großen Monitor in der Mittelkonsole wirkt wie das gesamte Ambiente mit den analogen Drehzahl- und Geschwindigkeitsanzeigern hier wenig spektakulär, aber eben übersichtlich, einfach und klar, was die Bedienung angeht. So etwas wie ein Relikt aus aller Zeit ist allerdings der Schaltknauf des manuellen Sechsgang-Getriebes: Ein etwas klobiges Teil auf einem relativ langen Schaft, über den dann recht weite Wege zu bedienen sind.

Die Zahl der Helfer ist groß und umfassend. Fußgänger und Müdigkeit des Fahrers registriert der Qashqai N-Connecta aufmerksam wie die Verkehrszeichen. Etwas übereifrig agiert dagegen die Spurerkennung, deren schnell nerviger Piepserei am besten mit Griff nach dem Ausschalter beizukommen ist.

Das Fahrwerk wurde für die seit 2013 produzierte zweite Generation neu, aber nicht anders abgestimmt. Komfort geht vor. Der Qashqai ist keiner, der auf scharfen Stil und kitzlige Kurven steht. Das sehr griffige neue Lenkrad mit seiner unteren Abflachung legt zwar eine Spur zu sportlichem Fahrstil, den das ESP dann aber recht früh einbremst und so zu viel Euphorie mit dem Fronttriebler auf der Landstraße beizeiten unterbindet. Wie auch die Lenkung nichts Provokantes hat, sie lebt eher in dem Bemühen, bloß keine Arbeit mit viel Krafteinsatz zu fordern oder den Fahrer mit einem detaillierten Straßenzustandsbericht zu belästigen. Vermutlich ist auch das genau das, was sich die Qashqai-Kunden wünschen, denen es mehr und eher auf den - wirklich guten - Platz ankommt, mit dem das Auto aufwartet.

Bis auf die für Wohlstandmenschen etwas schmalen Vordersitze gibt es am Raumangebot im Nissan nichts zu bekritteln. Die Einstiegsöffnungen sind bequem und großzügig. Im Fond kommen die Füße locker unter die Vordersitze, von keinem der vier Mitfahrenden kamen auf einer mehrstündigen Ausflugsfahrt Klagen über mangelnden Komfort. Der Kofferraum von 430 Litern macht ihn nicht zum Klassenbesten, wobei sich auch hier das große Unterflurfach als praktische Ergänzung sehr nützlich macht. Bei Flachlegung der Rücksitzanlage fällt auf, dass die 1.598 Liter Stauraum mit einer leicht ansteigenden Ebene erkauft werden.

Der neue Vierzylinder-Diesel mit 1,7 Litern Hubraum, der den abgastechnisch ausgereizten 1,6 Liter im Januar 2019 abgelöst hat, bringt 150 PS und 340 Newtonmeter als maximales Drehmoment, was auf dem Papier ganz gut ausschaut. In der Praxis zeigt sich aber, dass der Turbo vergleichsweise zäh mit dem Schaufeln beginnt, der Motor also relativ hoch - nämlich klar über 2.000 Umdrehungen - gedreht werden will, um seine Kraft und Leistung auf die Straße zu bringen. Trotzdem wird der Selbstzünder akustisch nie wirklich aufdringlich.

Beim Verbrauch gibt er sich moderat, wobei die 6,2 Liter, die uns der Bordcomputer als Durchschnitt nach 14 Testtagen auswies, nicht zwingend für den Diesel sprechen, oder nur den Fällen, in denen der Qashai wirklich als der Langstreckenläufer im Einsatz ist.

Solveig Grewe / mid

Technische Daten Nissan Qashqai 1,7dDi N-Conneta

Länge / Breite / Höhe: 4.394/1.806/1.590 Millimeter

Motor: Selbstzünder

Hubraum: 1,7 Liter

Max. Leistung: 110 kW/150 PS

Max. Drehmoment: 340 Nm bei 1.750 U/min

Normverbrauch je 100 km: 5,2 l

CO2-Emissionen: 138 g/km

Abgasnorm: Euro 6d-Temp

Preis: ab 33.315 Euro.

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