Fahrbericht

Wilder Kerl mit Macho-Aura

Duftmarke setzen - so nennt man das wohl, was Harley-Davidson 2019 gelungen ist. Mit der LiveWire, dem ersten Elektro-Bike der Marke, hat Harley mal locker den großen europäischen und japanischen Herstellern eine Harke geschlagen. 2020 kommt Harley nicht ganz so spektakulär über den großen Teich, betreibt Modellpflege, packt elektronische Helfer in die Tourer-Modelle und bringt in der Softtail-Familie die Low Rider S neu auf die Straße.


Duftmarke setzen - so nennt man das wohl, was Harley-Davidson 2019 gelungen ist. Mit der LiveWire, dem ersten Elektro-Bike der amerikanischen Kult-Marke, hat Harley mal locker den großen europäischen und japanischen Herstellern eine Harke geschlagen. 2020 kommt Harley nicht ganz so spektakulär über den großen Teich, betreibt Modellpflege, packt elektronische Helfer in die Tourer-Modelle und bringt in der Softtail-Familie die Low Rider S neu auf die Straße.

Zur Softtail-Familie gehören die Motorräder im Starrahmen Design der 50er Jahre des vergangen Jahrhunderts. Heute natürlich mit allem Komfort ausgestattet und gefedert mit einem unter dem Sitz verborgenen Zentralfederbein. Wie auch in der neuen Low Rider S. Weniger Schein als Sein sozusagen - American Understatement!

Für die Testfahrt im Hinterland von Malaga passt die Low Rider S ganz in Schwarz am Besten: tiefer Solosattel, Banditenmaske für den Scheinwerfer. Bei Harley nennen sie diesen Style "West-Coast-Look".

Die Low Rider S verkörpert jedoch keinesfalls kalifornisches "Flower-Power- und Easy-Going-Gefühl", sondern eher "Wilder Kerl" mit "Macho-Aura". Nicht von ungefähr sieht man ab und an die Männer mit Halstüchern im Totenkopf-Design auf diesem Typ Motorrad.

In den Softail-Rahmen packt Harley einen Milwaukee-Eight 114 Motor, mit 114 Kubikzoll, das sind 1.868 ccm. Einen V-Zweizylinder mit 94 PS und einem maximalen Drehmoment von 155 Newtonmeter bei 3000 U/min. Zwei Ausgleichswellen sollen störende Vibrationen verhindern.

Der Maschine ist ein Allrounder, passt aber ideal zum Cruisen. Passend dazu die Räder, vorne 19 Zoll, hinten 16 Zoll und 180 Millimeter breit. Dazu eine Upside-down-Telegabel vorne, die liefert, wie das Zentralfederbein hinten, die Firma Showa. Die Sitzposition ist weich und tief. Der Lenker auf Brusthöhe und frei von jeglichem Schnickschnack. Mittig auf dem Tank, Tachometer und Drehzahlmesser links und rechts daneben, wie früher zwei Tankdeckel. Heutzutage ist der Linke nur aus Tradition und als Verzierung angebracht.

Also auf zum Schnupperkurs mit der 308 Kilogramm schweren Low Rider S. Aufsitzen, Motor starten und schon blubbert die Harley in den genüsslichsten Bass-Tönen. Die Fahrt führt ein paar Kilometer durch die Stadt. Die Sitzposition ist entspannt, Beine und Arme sind nach vorne gelegt. Das fühlt sich gut an. Genauso wie die Blicke der Passanten, die die Daumen heben wenn eine Harley vorbeibraust. Unebenheiten und Schlaglöcher steckt die Gabel weg. Der Fahrtwind ist nicht so krass, dass man Oberarme und Nacken eines Preisboxers haben müsste.

Nach der Stadt geht's auf gerade Strecken - die Lieblingsstrecken von Harley-Fahrern wie böse Zungen behaupten - aber die Low Rider S kann auch anders, kann auch Kurven. Allerdings liegen die Fußstützen, obwohl von Harley bei diesem Modell schon erhöht, immer noch so tief, dass bei schrägster Schräglage leicht mal Funken auf dem Asphalt sprühen. Die schwarze Schönheit lässt sich allerdings nach kurzer Zeit ziemlich locker lenken. Sie fährt präzise in der Spur und gibt sichere Rückmeldungen.

Vorne hat die Low Rider S zwei Scheibenbremsen, die können kräftig zupacken und gut verzögern. Das kann auch die Hinterradbremse, allerdings muss dafür stark aufs Pedal gedrückt werden. Kleiner Wermutstropfen: Harley hat nur die Tourer-Modelle 2020 mit Kurven-ABS ausgestattet, die Softtail Reihe noch nicht. Und so steckt in der Low Rider S lediglich das herkömmliche ABS.

Aber das sind alles nur Feinheiten, denn dieser Power-Cruiser hinterlässt auf der Testfahrt einen sehr guten Eindruck. Sie ist für Stadt, Autobahn und Landpartien gleichermassen geeignet, lässt sich gut bewegen, hört sich wunderbar an, sieht böse aus, ist im Grunde des Herzens jedoch gutmütig - und hat eine Garantie über vier Jahre ohne Kilometerbeschränkung.

Rainer Unruh / mid

Technische Daten Harley-Davidson Low Rider S

Motor: Luft- und flüssigkeitsgekühlter 45-Grad-V-Twin, 1.868 ccm Hubraum, 69 kW/94 PS bei 5.020 U/min., 155 Nm bei 3.000 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Zahnriemen

Fahrwerk: Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen; Upside-down-Telegabel 43 mm vorne, 13 cm Federweg; Dreiecksschwinge aus Stahlrohr, liegendes Mono-Federbein, Federbasis einstellbar, 11,2 cm Federweg; 9-Speichen-Leichtmetallgussräder; Reifen 110/90 B 19 (vorne) und 180/70 B 16 (hinten). 30 cm Doppelscheibenbremse vorne, 29,2 cm Einscheibenbremse hinten

Assistenzsystem: Zweikreis-ABS, automatische Blinkerrückstellung, Keyless-go

Geschwindigkeit: 4,0 s von 0 auf 100 km/h, über 200 km/h Spitze

Maße und Gewicht: Radstand 1,615 m, Sitzhöhe 69 cm, Gewicht fahrfertig 308 kg, Zuladung 218 kg, Tankinhalt 18,9 Liter

Verbrauch lt. EU4: 5,6 l / 100 km

Preis: ab 19.795 Euro

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