Fahrbericht

Bei der neuen S-Klasse wird sogar der Chauffeur digital

Der Boss ist auf der Straße. Mit der neuen S-Klasse will Mercedes beweisen, dass man nach wie vor die Lufthoheit in der Premium-Klasse hat. Mit digitaler Raumschiff-Optik innen - und autonomem Fahren bis Tempo 60. Der Motor-Informations-Dienst (mid) konnte den Luxus-Liner schon mal bewegen.


Der Boss ist auf der Straße. Mit der neuen S-Klasse will Mercedes beweisen, dass man nach wie vor die Lufthoheit in der Premium-Klasse hat. Mit digitaler Raumschiff-Optik innen - und autonomem Fahren bis Tempo 60. Der Motor-Informations-Dienst (mid) konnte den Luxus-Liner schon mal bewegen.

Die S-Klasse bleibt fürs konservative Publikum aus der Führungsetage. Selbst die Türgriffe aus Chrom kann man noch bestellen, obwohl die Limousine eigentlich mit versenkbaren Griffen ausgestattet ist. Dass das Interieur mit Luxus von dezent bis protzig aufwartet, ist nicht verwunderlich. Sobald aber der Startknopf gedrückt wird, zeigt die S-Klasse, was sie wirklich ist: ein Sternenkreuzer mit modernster Digital-Technik.

Informationen gibt es gleich auf drei Displays. Einmal auf der digitalen 12,3 Zoll großen Tacholandschaft hinter dem Lenkrad, die sich entweder mit den zwei bekannten silberfarbenen Rundinstrumente bestücken lässt oder mit einem tiefroten Science-Fiction-Layout aufwartet. Alles in gestochen scharfer 3D-Optik.

Wer sich auf die Straße konzentrieren will, benutzt das neue und riesige Head-up-Display. Die Anzeige liegt tiefer als sonst, entweder direkt auf der Straße oder auf dem Heck des vorausfahrenden Fahrzeugs. Über das HUD erfährt man übersichtlich alles wichtige wie Tempo, Limit und Navi-Daten. Außerdem jagt ein kleiner blauer Pfeil über die Scheibe und zeigt exakt an, wo man abbiegen muss. Augmented Reality (AR) nennt man das heutzutage.

Und dann gibt es noch den zentralen Bildschirm, der zwischen Fahrer und Beifahrer thront. Optional 12,8 Zoll groß und in hochauflösender OLED-Technik. Hier kann man seine S-Klasse nicht nur bedienen, sondern auch überwachen. Beim Einparken beispielsweise sieht man das Auto nicht nur von oben in 360-Grad-Optik sondern sogar von der Seite, so als ob eine Drohne darüber schweben und Echtzeit-Bilder schicken würde. Außerdem hilft auch hier die AR-Technik. Beim Abbiegen filmt die Frontkamera die Situation und auf dem Bildschirm sausen wieder die kleinen blauen Pfeile genau da hin, wo die Limousine hin soll.

Verblüffend sind die Fähigkeiten der S-Klasse, wenn es um selbstständiges Fahren geht. Das gut funktionierende System wurde mit Features wie Ampel-Erkennung aufgerüstet. Aber Daimler bietet ab Mitte 2021 auch Stufe 3 an. Das heißt: Bis Tempo 60 bewegt sich das Auto wirklich selbstständig. Erstmalig gibt der Fahrer die Verantwortung ab. Ab diesem Moment bewegt Daimler die S-Klasse mit allen Konsequenzen und der Fahrer kann sich anderen Dingen widmen, wie dem Checken und Schreiben der E-Mails. Völlig legal.

Wie gut das funktioniert, zeigen Mercedes-Techniker auf dem konzerneigenen Testgelände in Immendingen. Die S-Klasse bewegt sich in einem Pulk von Autos nicht nur sicher mit oder leitet die nötige Notbremsung am Stauende ein, sondern bildet sogar eine Rettungsgasse als von hinten ein Polizeiauto mit Blaulicht angebraust kommt.

Dass die S-Klasse selbstständig einparken kann, ist ein alter Hut. Dass der Luxus-Liner mit dem Stern das jetzt auch ganz ohne Fahrer macht - ist brandneu. Zusammen mit Bosch hat Mercedes ein Parkhaus am Stuttgarter Flughafen entsprechend ausgerüstet. Das funktioniert dann wie beim Valet-Parking. Der Fahrer stellt seine S-Klasse auf einem gekennzeichneten Platz ab. Gibt man mit einer Smartphone-App das "Go", setzt sich die Limousine wie von Geisterhand in Bewegung und sucht sich selbst einen Parkplatz. Auch hier übergibt der Fahrer seine Verantwortung - in diesem Fall an den Betreiber des Parkhauses.

Bewegt wird die S-Klasse konventionell. Noch. Am Start stehen vorerst die beiden Reihensechszylinder. Als Benziner leistet die Maschine 367 respektive 435 PS, zusätzlich wird sie von einem Starter-Generator angeschoben. Das Diesel-Aggregat verfügt über 286 oder 330 PS. Das Drehmoment steigt beim Selbstzünder um 100 Newtonmeter (Nm) auf 600 Nm. Mit beiden Maschinen ist man souverän unterwegs, der Diesel macht trotzdem mehr Spaß und ist sparsamer. Bei der mid-Testfahrt braucht er knapp acht Liter, ein wirklich guter Wert für das 2,1 Tonnen schwere Schlachtschiff. Der Benziner genehmigt sich zwei Liter mehr.

Noch in Planung ist die S-Klasse mit V8-Motor und Startergenerator, richtig spannend wird es jedoch bei den alternativen Antrieben. Die rein elektrische S-Klasse steht 2021 an, aber frühestens in der zweiten Jahreshälfte. In greifbare Nähe rückt hingegen der Plug-in-Hybrid, der wohl im Frühjahr kommt.

Die mid-Testfahrt mit dem S 580e vermittelt schon mal einen ersten Eindruck, wie sich die elektrische S-Klasse anfühlen wird. Denn der Plug-in-Hybrid kommt mit seiner 143 PS großen und im Getriebe eingebauten E-Maschine rund 100 Kilometer weit. Sie ist so stark, dass auf der Testfahrt über Landstraßen der 367-PS-Benziner nie eingreifen musste. Das ist umso erstaunlicher als der PHEV um rund 200 Kilogramm schwerer ist als ein herkömmliches Modell. Dank des tiefen Schwerpunkts lässt sich der Hybrid-Bolide auch noch ziemlich sportlich und dynamisch bewegen. Das macht jetzt schon Lust und Laune auf die rein elektrische Variante.

Rudolf Bögel / mid

Technische Daten Mercedes Benz S 350d 4matic (kurzer Radstand)

- Länge / Breite / Höhe: 5,18 / 2,11 / 1,50 m

- Motor: 3,0 Liter Diesel

- Hubraum: 2.925 ccm

- Leistung: 210 kW / 286 PS bei 3.400 - 4.600 U/min

- Drehmoment: 600 Nm bei 1.200 - 3.200 U/min

- Getriebe: stufenlose 9-Gang-Automatik, Allradantrieb

- Beschleunigung: 0 - 100 km/h in 6,2 s

- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h

- Normverbrauch: 6,6 - 8,0 l

- CO2-Ausstoß: 172 - 211 g/km

- Preis: ab 93.438 Euro

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