Wasserstoff

Mit Herz und Verstand - Toyota Mirai II

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mid Köln - Gut sieht er aus: Der neue Mirai ist ein elegant gezeichnetes viertüriges Coupe. Toyota beweist viel Mut: Es wäre sicher ungleich einfacher gewesen, die komplexe Brennstoffzellen-Technik in einem SUV zu "verstecken". Toyota

Mit dem Mirai II liefert Toyota seit März 2021 die zweite Generation seines mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen-Fahrzeugs aus. Die Preise starten bei 63.900 Euro. Ein Highlight: Die nun heckgetriebene und jetzt fünfsitzige Limousine soll bis zu 650 Kilometer Reichweite schaffen. Der Motor-Informations-Dienst (mid) hat das etwas andere E-Mobil ausprobiert.


Mit dem Mirai II liefert Toyota seit März 2021 die zweite Generation seines mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen-Fahrzeugs aus. Die Preise starten bei 63.900 Euro. Ein Highlight: Die nun heckgetriebene und jetzt fünfsitzige Limousine soll bis zu 650 Kilometer Reichweite schaffen. Der Motor-Informations-Dienst (mid) hat das etwas andere E-Mobil ausprobiert.

Erster Eindruck: Hoppla, der sieht ja richtig gut aus. Kein Vergleich zur ersten Generation mit ihrem sicher bewusst extrovertierten, auf manchen Betrachter aber wohl etwas spleenig wirkenden Design. Der Neue dagegen ist ein richtig elegant gezeichnetes viertüriges Coupe, das rund um den Globus gefallen dürfte. Gleichzeitig beweist Toyota hier dennoch viel Mut: Es wäre sicher ungleich einfacher gewesen, die komplexe Brennstoffzellen-Technik in einem populären, hochbauenden SUV zu "verstecken".

Die Ingenieure haben stattdessen die Herausforderung angenommen, die nun drei - wegen des erforderlichen hohen Wasserstoff-Speicherdrucks (700 bar) unvermeidbar zylindrischen Tanks - mit satten 30 Prozent mehr Volumen in einem im Vergleich zum Vorgänger 6,5 Zentimeter flacheren, insgesamt nur 1,47 Meter hohen Auto unterzubringen. Der Vollständigkeit halber: In der Länge wuchs der Mirai II um 80 Millimeter auf nun knapp fünf Meter (Radstand plus 140 Millimeter), in der Breite um 70 Millimeter auf heutzutage fast moderate 1.885 Millimeter. Das alles ist gut für die aerodynamische Effizienz, der ja bei E-Fahrzeugen mit ihren noch sehr begrenzten Energiespeicher-Kapazitäten grundsätzlich besondere Bedeutung zukommt.

Die Entwickler mussten dafür ganz schön puzzeln und gleichzeitig bei allen Komponenten massiv abspecken. Die Festpolymer-Brennstoffzelle passt jetzt, zusammengefasst mit allen für ihren Betrieb notwendigen Aggregaten wie Wasserpumpen, Zwischenkühler, Luftkonditionierer, Wasserstoff-Rezirkulation sowie Konvertern und Hochspannungskomponenten unter die Fronthaube. Insgesamt bringen die Bauteile 50 Prozent weniger Gewicht auf die Waage. Gleichzeitig wuchs die spezifische Leistungsdichte auf 5,4 kW pro Liter, die Maximalleistung von 115 PS (155 PS) auf 134 kW (182 PS). Die Tanks für jetzt 5,6 Kilogramm Wasserstoff sind T-förmig unter dem Fahrzeugboden untergebracht. Bei einem Norm-Verbrauch von 0,89 - 0,79 kg pro 100 Kilometer (was umgerechnet etwa einem Super-Kraftstoff-Verbrauch von 2,9 bis drei Litern entspräche), ergibt das die eingangs erwähnte üppige Reichweite von bis zu 650 Kilometer. Generelles Plus dieser E-Antriebsform und ein weiterer Vorteil gegenüber den batteriebetriebenen Pendants: Vollgetankt wird wie beim klassischen Verbrenner in nur wenigen Minuten und die Brennstoffzellen-Technik unterliegt auch bei Temperaturen von bis zu Minus 30 Grad keinerlei Reichweiteneinbußen.

Zweiter Eindruck: Der Mirai II fährt sich so gut wie er aussieht, auch hier also ein riesiger Fortschritt gegenüber den sehr nachhaltigen, ansonsten aber eher Spaßarmen Toyota-Modellen mit alternativen Antrieben der Vergangenheit. 134 kW beziehungsweise 182 PS mögen auf den ersten Blick nicht viel erscheinen, doch beim Mirai sind das eben E-Pferdchen. Und die legen bereits aus dem Stand entsprechend kraftvoll, völlig ruck- und vibrationsfrei, dabei sehr leise - kurz gesagt ziemlich souverän los. Dazu gibt es ein verbindliches, aber keinesfalls unkomfortables Fahrwerk, eine angenehm straffe, dank Heckantrieb antriebseinflussfreie Lenkung und sehr bequeme, dennoch guten Seitenhalt bietende Front-Sitze.

Da auch die Bedienung keinerlei Rätsel aufgibt, der Mirai zumindest vorn wie maßgeschneidert sitzt, Verarbeitung und Ambiente tadellos sind, fühlt sich der Fahrer auch auf langen Strecken wie zuhause. Leser des Datenblatts mögen an dieser Stelle einwenden, dass 175 km/h (begrenzte) Höchstgeschwindigkeit dazu nicht passen. Faktisch ist aber genau das Gegenteil der Fall. Wer noch schneller fährt, kommt eigentlich nur gestresster, meist aber kaum schneller ans Ziel, was so gar nicht zum entspannt geschmeidigen Wesen des Mirai passen würde. Viel wichtiger aber: Mehr Speed und Reichweite gehen bei E-Fahrzeugen derzeit schlicht nicht zusammen, die Limitierung (auf eine ohnehin nur noch in Deutschland fahrbare Geschwindigkeit) ist nur folgerichtig.

Aus Sicht des Autors ebenfalls begrüßenswert und für manchen Interessenten vermutlich ein Lichtblick im dichten Aufpreis-Dschungel anderer Anbieter: Den Mirai II gibt es in genau drei Versionen: Mirai, Mirai Executive und Mirai Advanced. Dazwischen liegen ausgehend vom Basismodell zu 63.900 Euro, 3.000 Euro beziehungsweise 10.000 Euro Aufpreis, und Ausstattungen die nur als komplett, üppig und luxuriös zu bezeichnen sind. Wer einen ähnlich ausstaffierten deutschen Mittelklasse-Wagen fahren will, kann dafür mühelos 20.000 bis 30.000 Euro zusätzlich hinblättern. Damit relativiert sich auch der zunächst hoch erscheinende Einstiegspreis, der übrigens gegenüber dem Vorgänger um rund 20 Prozent gesenkt wurde.

Abziehen kann der Käufer jetzt auch die Innovationsprämie von 7.500 Euro, weil der Basis-Nettopreis unter 65.000 Euro liegt. Noch üppigere Fördergelder gibt es alternativ im Rahmen der Wasserstoff-Initiative der Bundesregierung für Flottenfahrzeuge. Dennoch ist der Mirai II natürlich - noch - kein Fahrzeug für jedermann. Käufer sollten zumindest eine Wasserstofftankstelle in der Nähe wissen. Da die bislang 91 in Deutschland verfügbaren Zapfstellen strategisch bereits gut an den Hauptverkehrswegen platziert sind, der Tankvorgang eben nur Minuten braucht, die echte Reichweite auch unter realistischen Bedingungen 500 Kilometer betragen dürfte, sollten dann auch Langstreckenfahrten innerhalb der Republik kein Problem sein.

Unser Fazit: Der Mirai II ist ein mit viel Herz und Verstand konstruiertes Fahrzeug, das erneut die beeindruckende Weiterverfolgung eines einmal eingeschlagenen Weges beweist. Erinnern wir uns: Auch bei den Toyota-Hybriden haben viele jahrelang gespottet, heute baut sie jeder.

Christoph Reifenrath / mid

Technische Daten Toyota Mirai II

- Länge / Breite / Höhe: 4.975 / 1.885 / 1.470 mm

- Radstand: 2.920 mm

- Leergewicht: 1.930 - 1.950 kg

- Zulässiges Gesamtgewicht: 2.415 kg

- Gepäckkapazität: 321 Liter

- Tankinhalt: 142.2 l = 5,6 Kg Wasserstoff bei 700 bar Fülldruck

- Antrieb: Motorleistung in kW / PS: 134 kW / 182 PS

- Maximales Drehmoment: 300 Nm

- Brennstoffzelle Typ : Polymer electrolyte fuel cell. 330 Zellen,
Leistungsdichte: 5,4 kW / l

- Batterie: Lithium-ion, 84 Zellen, Nennspannung 310 Volt, 6,5 Ah

- Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h

- Beschleunigung von 0 - 100 km/h: 9,2 s

- Grundpreis: 63.000 Euro

- Testwagenpreis: 66.900 Euro

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