Verkehrssicherheit

Continental: Wie entsteht ein gutes Bedienkonzept fürs Auto?

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mid Hannover - Schalten und Walten wie anno dazumal: Die Anzahl der Hebel Schalter und Armaturen war überschaubar. Continental

Hebel, Knöpfe, Touchscreens - damit ein Auto intuitiv bedient werden kann, ist mehr erforderlich, als nur über die Platzierung der Elemente nachzudenken. Der Technologiekonzern Continental gibt den Blick auf seine Entwicklungsstrategie frei.


Hebel, Knöpfe, Touchscreens - damit ein Auto intuitiv bedient werden kann, ist mehr erforderlich, als nur über die Platzierung der Elemente nachzudenken. Der Technologiekonzern Continental gibt den Blick auf seine Entwicklungsstrategie frei.

Was nützt das technisch bis ins kleinste Detail perfektionierte Bedienkonzept, wenn es sich nicht am Bedürfnis des Kunden orientiert? Es wird entweder abgelehnt oder es verführt zu falschen Verhaltensweisen.

In einem Symposium mit Fachjournalisten ging der Technologiekonzern Continental auf die Herausforderungen ein, denen sich die Entwickler von Bedienelementen im Auto stellen müssen. Das Ziel: Produkte entwickeln, denen die Fahrer vertrauen, und die sie letztlich gern nutzen. Anders ausgedrückt: Welche psychologischen Zusammenhänge stecken hinter dieser Art der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Oder wie sieht die "Nutzererfahrung" aus?

Ein Kernsatz in der Botschaft lautet: "Nicht der Geist steuert ein Fahrzeug sondern der vollständige Mensch." Da geht es schnell um Emotionen, momentanes Umfeld, Tageskondition und unterschiedliche Vorlieben. Erst wenn diese Rahmenbedingungen bewertet sind, können maßgeschneiderte Lösungen entwickelt werden. Ein Grund, warum sich Techniker mittlerweile eng mit Psychologen vernetzen.

Dazu zwei Extreme: Wenn ein Fahrerassistenzsystem zu stark bevormundet, wird es häufig deaktiviert, und wenn es als nicht völlig autonom handelnder Helfer eine falsche Sicherheit vorgaukelt, schlüpft der Fahrer aus seiner Verantwortung und beschäftigt sich mit Ablenkungen, zum Beispiel mit dem Mobiltelefon.

Es geht demnach um den Zielkonflikt zwischen absolutem Vertrauen und Misstrauen zu Bedienhilfen sowie automobilen Assistenten, der vom Entwickler gelöst werden muss. Eine Lösung besteht darin, dass das Fahrzeug nur die Hinweise liefert, die gerade benötigt werden. Ein Beispiel: Um auf einer mehrspurigen Straße nicht den Abzweig zu verpassen, kann in der Windschutzscheibe ein Pfeil virtuell auf die Straße projiziert werden, der rechtzeitig in die richtige Spur zum Abbiegen weist.

Um das Vertrauen zwischen Maschine und Mensch zu stärken, muss dass System klar kommunizieren, was es vorhat. Das könnte beim Annähern an einen Zebrastreifen, an dem sich Fußgänger zum Queren der Straße anschicken, auf zweierlei Weise geschehen: Im Fahrzeug wird gemeldet, dass der Wagen jetzt wegen der anderen Verkehrsteilnehmer bremst - und nach außen (zum Beispiel durch ein optisches Signal im Kühlergrill), dass der Fußgänger die Fahrbahn betreten kann.

Wie intelligent Bedienkonzepte sind, lässt sich auch daran ablesen, ob sie die momentanen Bedingungen klar erkennen, mit denen der Fahrer konfrontiert ist. Herrscht gerade Stress, weil es im Verkehr drunter und drüber geht, oder rollt man entspannt über eine übersichtliche, leere Landstraße?

Ist Individualisierung gefragt, profitieren die Konstrukteure vom Wandel des Armaturenbrett-Designs. Gab es früher nur ein paar Zeigerinstrumente und wenige Hebel und Schalter, sind heute und in der Zukunft Bildschirme oder haptisch reagierende Flächen der Standard. Getrennt einsehbare Bereiche für Fahrer- und Beifahrerplatz ermöglichen sogar Entertainment-Lösungen für die Passagiere, die vom Führen des Fahrzeugs nicht ablenken.

Auf dem Weg von der Idee bis zum serienreifen Konzept benutzt Continental über den Globus verteilte Simulatoren, Virtual-Reality-Labore und Testflächen. Dort werden Reaktionen von Probanden gesammelt und ausgewertet. Im Rahmen dieser Versuche wird auch ausgetestet, wie sich Insassen in völlig autonom fahrenden Autos verhalten.

Der Experte für HMI (Human Machine Interface) des Technologiekonzerns, Guido Meier-Arendt, fasst es so zusammen: "Es gehört zu den größten Herausforderungen im modernen Automobilbau, Konzepte und Lösungen zu entwickeln, die dem Menschen das Gefühl vermitteln: Hier bist du sicher, du kannst dich auf die Technik hundertprozentig verlassen." Continental benutzt für das individuell aufgebaute Vertrauensverhältnis zwischen Fahrer und Auto den englischen Begriff "calibrated trust".

Jochen Möller (Senior Expert User Experience & Interaction Design) ergänzt: "Unser Ziel bei Continental ist es, Technologien zu entwickeln, die einen echten Mehrwert für den Nutzer schaffen. Der kann ganz praktisch orientiert sein, etwa die Möglichkeit aus dem Auto heraus über ein intelligentes Display Bezahlungen tätigen zu können. Aber auch ein emotionaler Mehrwert ist essenziell für ein positives Nutzererlebnis, wenn sich zum Beispiel die Haptik einer Oberfläche oder eines Drehknopfes einfach gut anfühlt."

Wie gut, dass Möller noch den guten alten Drehknopf erwähnt. Denn das zielgenaue Treffen mit dem Finger von Symbolen auf einem Bildschirm ist schließlich nicht jedermanns Sache. Da kann schnell eine Bodenwelle die Auswahl der richtigen Funktion zunichte machen. Womit wir wieder bei der Eingangsfrage sind, ob dem Bedürfnis des Kunden die ungeteilte Aufmerksamkeit der Entwickler geschenkt wurde.

Klaus Brieter / mid

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