Frankreich

Deutsch-französischer Bericht: EU soll 2030 fit für Erweiterung sein

  • AFP
  • In POLITIK
  • 19. September 2023, 18:02 Uhr
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Flaggen der Ukraine und der EU vor dem Straßburger Europaparlament Bild: AFP

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Die Europäische Union sollte bis 2030 für die Aufnahme neuer Mitglieder bereit sein. Dieses ehrgeizige Zieldatum nennt ein Expertenbericht, den Deutschland und Frankreich am Dienstag in Brüssel vorstellten. Nach Angaben von Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) unterstützt die Bundesregierung den Vorstoß grundsätzlich. Über das Tempo der Erweiterung wie auch die nötigen institutionellen Reformen werden allerdings schwierige Debatten der 27 Mitgliedsländer erwartet. 

Die Experten empfehlen, "die EU bis 2030 für die Erweiterung bereit" zu machen. "Die Kandidatenländer sollten darauf hinarbeiten, bis dahin alle Beitrittskriterien zu erfüllen", heißt es in dem 60-seitigen Bericht.

Zu den Kandidaten zählen seit gut einem Jahr die Ukraine und das kleine Nachbarland Moldau. Beide hoffen auf einen Startschuss für die Beitrittsgespräche bis Ende dieses Jahres. Darüber hinaus warten sechs Westbalkanstaaten auf Aufnahme in die EU. Dabei handelt es sich um Albanien, Bosnien-Herzegowina, das Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien.

Europa-Staatsministerin Lührmann forderte, die EU müsse jetzt ihre Hausaufgaben machen, um bereit für die Aufnahme neuer Mitglieder zu sein. "Diese notwendigen internen Reformen müssen in der nächsten Legislatur des Europäischen Parlamentes umgesetzt werden", also zwischen der Europawahl im Juni 2024 und der darauf folgenden Wahl 2029.

Zurückhaltender äußerte sich Lührmanns französische Kollegin Laurence Boone, die die Expertise von zwölf deutsch-französischen Experten mit in Auftrag gegeben hatte. "Es handelt sich nicht um einen Regierungsvorschlag", betonte sie. Frankreich gehörte in den vergangenen Jahren zu den erweiterungsskeptischen Ländern, auch wegen des Erstarkens der Rechtsaußen-Parteien. 

Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen bei einem Gipfeltreffen im spanischen Granada im Oktober über das Thema diskutieren. 

Die Positionen der EU-Länder lägen "noch weit auseinander", sagte Spaniens Europa-Staatssekretär Pascual Ignacio Navarro Rios, dessen Land bis Jahresende den Vorsitz im Ministerrat hat.

Damit die Europäische Union mit mehr als 27 Mitgliedern handlungsfähig bleibt, schlagen die Experten einen Übergang vom Prinzip der Einstimmigkeit zu Mehrheitsentscheidungen in zentralen Politikbereichen wie der Erweiterung oder der Außen- und Steuerpolitik vor. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bereits mehrfach für Mehrheitsentscheidungen auf EU-Ebene geworben. Grundlage ist der Koalitionsvertrag, laut dem die "Ampel" aus SPD, Grünen und FDP "Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit im Rat nutzen und ausweiten" will.  

Mehrere kleinere EU-Staaten fürchten, dann regelmäßig überstimmt zu werden. Die Furcht vor "deutsch-französischer Dominanz" sei groß, hieß es von den Experten. Gegen solche Ängste sei ein "Sicherheitsnetz" vorgesehen, betonte Lührmann. Es sieht vor, dass ein Land Themen von besonderem "nationalen Interesse" anmelden kann. Die EU-Staaten könnten dann mehrheitlich beschließen, die Sache bei einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs zu beraten, wo im Konsens entschieden wird. 

Eine andere Möglichkeit ist laut den Experten, dass Mitgliedsländer sich an ganzen Politikbereichen nicht beteiligen, wie es etwa Großbritannien oder Dänemark bei der Innen- und Justizpolitik praktizierten. Die Experten plädieren grundsätzlich für ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, um Blockaden zu vermeiden. 

Lührmann hofft nach eigenen Worten beim EU-Gipfel im Dezember auf ein "klares Signal, dass die EU-Erweiterung und die Reformen aneinander gekoppelt sind". Osteuropäische EU-Länder warnen, dass eine langwierige Reformdebatte eine Aufnahme der Ukraine verzögern könnte.

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