Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Israel vorgeworfen, viel zu wenig humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen zuzulassen. 'Noch nie in den letzten 12 Monaten kam so wenig Hilfe in den Gazastreifen wie jetzt', erklärte sie.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Israel vorgeworfen, viel zu wenig humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen zuzulassen. "Noch nie in den letzten zwölf Monaten kam so wenig Hilfe in den Gazastreifen wie jetzt", erklärte Baerbock am Sonntagabend in Berlin. Zwar gelte nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 Israels Recht auf Selbstverteidigung, dieses finde aber "seine Grenze im humanitären Völkerrecht".
"Dazu zählt, dass humanitärer Zugang zu allen Zeiten gewährt werden muss und nie zu einem Mittel der Kriegsführung werden darf", mahnte Baerbock. Im Gazastreifen litten mehr als zwei zwei Millionen Menschen "an akuter Mangelernährung", weite Teile des Palästinensergebietes seien "ein absolutes Trümmerfeld". "Den Menschen fehlt die Kraft, um weiter zu flüchten, und sie drängen sich in den letzten, auch kaum mehr sicheren Zonen", schilderte die Ministerin die Lage.
"Immer wieder gab es Zusagen, die nicht eingehalten wurden", kritisierte Baerbock weiter. "Aufgrund unseres massiven Drängens und der Anordnung des Internationalen Gerichtshofs wollte die israelische Regierung Gaza im Frühjahr 'mit humanitärer Hilfe fluten'." Dies müsse nun endlich geschehen, "ohne Ausreden". Daran müsse sich "– trotz all der schwierigen Abwägungen und Dilemmata – die israelische Regierung messen lassen".
Baerbock forderte, dass noch vor dem Winter nicht nur alle von der Hamas und ihren Verbündeten in den Gazastreifen verschleppten "Geiseln endlich freikommen" müssten. Auch müssten "die Hilfsgüter zum Überleben – Nahrungsmittel, Wasser, Medizin, Hygieneartikel, Zelte - die Menschen in Gaza endlich erreichen". Dazu sei "die Öffnung aller Grenzübergänge" in den Gazastreifen erforderlich.
Notwendig sei eine "volle Kooperation aller Parteien mit den Vereinten Nationen und den Hilfsorganisationen, um verlässliche und sichere Routen für Hilfslieferungen und medizinischen Evakuierungen zu schaffen", warb Baerbock. In den vergangenen Tagen habe es dazu "erste konstruktive Signale".
Die Bundesregierung drang demnach in "vielen Gesprächen" darauf, dass die israelische Armee ihre Einsatzführung im Gazastreifen anpasse. "Die schweren Kampfhandlungen müssen endlich eingestellt werden", forderte Baerbock und es müsse "ernsthaft an einem Waffenstillstand gearbeitet werden". "Denn ohne Waffenstillstand wird das Sterben nicht aufhören, wird das Leid kein Ende nehmen", fügte die Ministerin mit Blick auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen sowie auf die israelischen Geiseln und deren Angehörige hinzu.
Der Krieg im Gazastreifen war durch den brutalen Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. Dabei wurden nach israelischen Angaben 1206 Menschen, zumeist Zivilisten, getötet. Zudem wurden 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Von den 97 Geiseln, die sich weiterhin dort befinden, sollen 34 bereits tot sein.
Nach dem Hamas-Angriff startete Israel einen massiven Militäreinsatz im Gazastreifen. Nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen wurden dabei bisher mehr als 43.600 Menschen getötet, mehrheitlich Zivilisten. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen, die UNO stuft sie als glaubhaft ein.