Kurz vor dem Abschluss der Gespräche über ein UN-Plastikabkommen haben Teilnehmer vor einem Scheitern der Verhandlungen gewarnt. Der Delegationsleiter aus Panama betonte, 'ein paar laute Stimmen' dürften den Prozess nicht 'zum Entgleisen bringen'.
Einen Tag vor dem geplanten Abschluss der Gespräche über ein erstes UN-Abkommen zur Reduzierung von Plastikmüll haben teilnehmende Diplomaten und Umweltorganisationen vor einem Scheitern der Verhandlungen gewarnt. "Eine Handvoll Regierungen" weigere sich, "die notwendigen Schritte zu unternehmen", sagte ein Greenpeace-Vertreter am Samstag. Der Delegationsleiter aus Panama betonte, "ein paar laute Stimmen" dürften den Prozess nicht "zum Entgleisen bringen". Umweltaktivisten enterten derweil aus Protest einen Tanker vor der Küste Südkoreas.
"Ich denke, wir befinden uns gerade in einem sehr riskanten Moment des Ausverkaufs, und das wäre eine absolute Katastrophe", sagte Graham Forbes von Greenpeace. Mitglieder der Umweltschutzorganisation enterten am Samstag vor Südkorea einen Tanker, der das Gas Propylen aufnehmen sollte, das zur Plastikherstellung verwendet wird. Sie schrieben "Plastik tötet" auf die Seite des Schiffes, um auf die Dringlichkeit eines internationalen Abkommens zur Verringerung von Plastikmüll aufmerksam zu machen.
Für die Verhandlungen sind Delegierte aus mehr als 200 Staaten in der südkoreanischen Stadt Busan zusammengekommen. Ziel der am Montag begonnenen Gespräche ist ein rechtsverbindliches Abkommen, das die weltweite Umweltverschmutzung durch Plastikabfälle verringern soll.
Bislang scheiterten die Bemühungen allerdings an mehreren wichtigen Punkten, etwa der Reduzierung der Plastikproduktion und der schrittweisen Abschaffung von Chemikalien, die als gesundheitsschädlich gelten. Ein am Freitag vorgelegter Textentwurf für ein Abkommen machte die anhaltenden Differenzen deutlich.
Zwar unterstützen mehr als 100 Länder - darunter Deutschland und die sogenannte High Ambition Coalition (HAC), zu der europäische, afrikanische, lateinamerikanische und asiatische Länder gehören - die geforderten Maßnahmen und argumentieren, dass ohne ein solches Abkommen die weltweite Umweltbelastung durch Plastikmüll nicht verringert werden könne. Eine Handvoll überwiegend ölproduzierender Länder, welche die Ausgangsstoffe für Plastik liefern, stellt sich allerdings dagegen.
"Die überwältigende Mehrheit der Delegierten hier fordert ein ehrgeiziges Abkommen", sagte der Delegationsleiter von Panama, Juan Carlos Monterrey Gómez. "Wir dürfen nicht zulassen, dass ein paar laute Stimmen den Prozess zum Entgleisen bringen." Zugleich warnte er: "Ohne eine Reduzierung von Plastik gibt es kein Abkommen."
Ein Vertreter der HAC betonte: "Wir sind eine große Gruppe, die sich in Schlüsselelementen einig ist und bereit ist, die Verhandlungen zu verlassen." Er warnte, dass einige Staaten in Erwägung zögen, eine Abstimmung einzuberufen. Dies widerspräche jedoch dem Ansatz der Vereinten Nationen, eine Einigung im Konsens zu erzielen.
Ein Delegierter der Demokratischen Republik Kongo nannte eine Abstimmung den "letzten Ausweg". "Ich denke, wenn wir keine Einigung erzielen können, sind wir gezwungen, eine Abstimmung vorzunehmen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. "Wir wollen den Rahmen der Vereinten Nationen nicht verlassen", sagte ein Teilnehmer der französischen Delegation. Zugleich zeigte er sich optimistisch: "In 24 Stunden kann viel passieren."
Beobachter warnten vor der Einberufung einer Abstimmung, da dies bei den Befürwortern eines starken Vertrags auf Ablehnung stoßen könnte. Eine weitere Möglichkeit wäre demnach, dass der Vorsitzende der Gespräche ein Abkommen trotz der Einwände teilnehmender Staaten durchwinkt. Doch auch das birgt Risiken.
2019 wurden auf der Welt rund 460 Millionen Tonnen Plastik produziert. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat sich die Menge seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Bis 2060 wird sich die Kunststoffproduktion voraussichtlich verdreifachen.
Mehr als 90 Prozent des Plastiks werden nicht recycelt. Ein großer Teil gelangt deshalb in die Umwelt, oft bereits nach wenigen Minuten Gebrauch. Plastikmüll verschmutzt Gewässer und Land sehr lange und wird nur äußerst langsam abgebaut, teils erst nach Jahrhunderten. Inzwischen ist die Plastikverschmutzung so weit verbreitet, dass sie sogar in den Wolken, tief im Meer und in praktisch jedem Teil des menschlichen Körpers von Wissenschaftlern nachgewiesen wurde.