Antrittsbesuch bei einem 'unberechenbaren' Gesprächspartner: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wird am Donnerstag von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus empfangen.
Antrittsbesuch bei einem "unberechenbaren" Gesprächspartner: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wird am Donnerstag von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus empfangen. Zentrale Themen dürften die Zukunft der Nato, der Ukraine-Krieg und der Zollstreit sein. Einem Bericht zufolge könnte Trump bei dem Treffen aber auch seinen Vorwurf der angeblichen Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland zum Thema machen. Merz kündigte an, in diesem Fall "sehr klar" seine Meinung zu äußern.
Angesichts der Spannungen im Verhältnis zu den USA seit dem Amtsantritt Trumps wird besonders aufmerksam verfolgt, ob der US-Präsident und Merz einen guten persönlichen Draht zueinander finden. Der "New York Times" zufolge könnte Trump den Kanzler mit dem Vorwurf konfrontieren, dass Deutschlands Einsatz für die Meinungsfreiheit nachgelassen habe.
Merz sagte wenige Stunden vor dem Treffen mit Trump, er sei bereit, mit dem US-Präsidenten über die deutsche Innenpolitik zu sprechen. "Ich werde da allerdings auch sehr klar meine Meinung dazu sagen, wenn es notwendig ist", fügte er hinzu.
US-Vizepräsident JD Vance hatte Deutschland und anderen europäischen Staaten im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar angebliche Defizite bei der Meinungsfreiheit vorgeworfen und den Umgang mit der AfD in Deutschland kritisiert. Merz, damals noch Kanzlerkandidat, hatte dies als "Einmischung" in den Bundestagswahlkampf scharf zurückgewiesen. US-Außenminister Marco Rubio sprach zudem später von "verkappter Tyrannei" in Deutschland, nachdem der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hatte.
Dem Bericht der "New York Times" zufolge legte das Weiße Haus für Merz kurzfristig eine "Stolperfalle" aus: Die Begegnung mit der Presse zum Auftakt des Treffens mit Trump im Oval Office im Weißen Haus wurde vorgezogen und findet nun um 11.45 Uhr (Ortszeit; 17.45 Uhr MESZ) statt. Erst danach folgt das gemeinsame Mittagessen.
Damit habe Merz nicht wie erhofft die Gelegenheit, eventuelle Meinungsverschiedenheiten unter vier Augen zu klären, bevor er gemeinsam mit Trump vor die Kameras tritt, hieß es in dem Bericht. Bei einem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj war es Ende Februar im Oval Office zum Eklat gekommen. Auch der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa wurde dort im Mai vor laufenden Kameras von Trump angegangen.
Merz will bei dem Treffen mit Trump einen Neustart für eine verbesserte Zusammenarbeit bei den außenpolitischen Top-Themen erreichen. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU), der in der vergangenen Woche seinen Antrittsbesuch in Washington absolviert hatte, sieht das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA derzeit in der Krise. "Der Ton ist so rau wie lange nicht", sagte er kürzlich.
Trumps Markenzeichen sei "die Unberechenbarkeit", sagte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Metin Hakverdi (SPD), im Gespräch mit AFP. Es wäre schon "ein Gewinn für uns, für Europa und für die USA", wenn Merz und Trump "einen ganz guten persönlichen Draht miteinander entwickeln".
Seit seinem Comeback im Weißen Haus im Januar hat Trump die Verbündeten und Partner mit seiner radikalen America-First-Politik (Amerika zuerst) vor den Kopf gestoßen. In der Nato droht er damit, Partner-Staaten bei zu geringen Militärausgaben den Beistand zu verweigern, bei der Ukraine steht im Raum, dass er ihr die US-Unterstützung verweigert und sie somit an Russland ausliefert, und im Zuge seiner aggressiven Zollpolitik wurden erst am Mittwoch die US-Einfuhrzölle für Stahl und Aluminium verdoppelt.
Was die Nato angeht, hat Merz die Zusage der neuen Bundesregierung im Gepäck, die Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren erheblich zu erhöhen und am Ende 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung sowie 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Infrastruktur auszugeben. Die von Trump seit Jahren betriebene Deutschland-Schelte wegen zu geringer Militärausgaben dürfte damit ins Leere laufen.
Im Ukraine-Krieg hat es seit Trumps Amtsantritt wieder Bewegung in den diplomatischen Bemühungen um eine Waffenruhe gegeben. Der US-Präsident zeigte sich zuletzt allerdings von beiden Seiten zunehmend genervt. Merz wird in dem Gespräch alles daran setzen, Trump in den Bemühungen um ein Ende des Krieges auf Seiten der Europäer an Bord zu halten.
Im US-Senat wird derzeit ein hartes Sanktionspaket vorbereitet. Dieses soll auch Länder treffen, die russisches Öl und russische Rohstoffe importieren und so den Krieg mitfinanzieren, darunter vor allem China. Es ist nicht klar, ob Trump diese Initiative unterstützt.
Im Zollstreit hat Trump eine Reihe von Zöllen gegen Partner und Konkurrenten auf dem Weltmarkt verhängt. Die Europäische Kommission verhandelt mit der US-Regierung, um eine Eskalation abzuwenden. Merz wird als Kanzler des wirtschaftsstärksten Landes in Europa eine Reihe von Argumenten anführen können, weshalb die Zölle allen Seite schaden. Mit Verweis auf die Wirtschaftsmacht Europas sagte er, es gebe keinerlei Grund für ihn, in Washington als "Bittsteller" aufzutreten.