Fahrbericht

XJR575: Dieser Jaguar ist immer auf dem Sprung

Jaguar geht mit einer leicht modifizierten XJ-Baureihe ins Modelljahr 2018. Bei der Top-Motorisierung des XJR575 wurden noch einmal 25 PS draufgelegt, was zu einer 'krummen' Zahl in der Modellbezeichnung führt.


Es überrascht nicht, wenn ein Autohersteller im Rahmen der Modellpflege meldet, dass sein Produkt besonders in den Bereichen Infotainment und Fahrerassistenzsysteme technologisch aufgewertet wurde. Kaum eine Entwicklung für das Auto macht so große Sprünge wie auf diesen beiden Feldern. Kein Wunder, dass auch Jaguar seine Baureihe mit den großen XJ-Limousinen für das Modelljahr 2018 mit entsprechenden technischen Verbesserungen fit gemacht hat - neben ein paar optischen Verfeinerungen. Im Elektronik-Körbchen liegen nun eine adaptive Geschwindigkeitsregelung mit Stauassistent, seitliche Rückfahrüberwachung, Warnsystem toter Winkel inklusive Annäherungssensor, eine Kombination aus Spurhalte- und Aufmerksamkeitsassistent, Verkehrsschildererkennung, ein 360-Grad-Surround-Kamerasystem und halbautomatische Hilfen für Quer- und Parallel-Einparken. Kein System ist brandneu, aber nun auch im Jaguar-Flaggschiff zu haben.

Allerdings überraschte es schon, dass Jaguar der kraftstrotzenden Übervariante der XJ-Modelle weitere 25 PS eingeblasen hat und die nun als XJR575 ins Rennen schickt. Die dreistellige Zahl in der Typenbezeichnung steht für 575 PS, mit denen die Katze in 4,4 Sekunden von Null auf Hundert sprintet und bei weiter bis zum Bodenblech durchgetretenem Gaspedal keine Ruhe gibt, bis letztendlich Tempo 300 erreicht ist. Diese Katze ist quasi immer auf dem Sprung. In den selbstbewussten Jaguar-Unterlagen liest sich das so: "Der in der 'kurzen' Ausführung mit 3.032 mm Radstand angebotene XJR575 zementiert den Status des XJR als schnellste Jaguar-Serienlimousine." Ob die Kunden danach laut gerufen haben, lassen wir einmal dahingestellt sein, aber der Anspruch passt zu einem Autobauer, der sein Produkt nach einer sportlichen Großkatze benennt.

Während die Leistungsdaten nahezu grenzenlos klingen, engt Jaguar die Farbpalette für den XJR auf zwei Alternativen ein: Velocity Blue und Satin Corris Grey. Wir fuhren den großen Brocken in der blauen Version - einem so intensiven Blau, das einem fast die Augen wehtun. Aber die Farbe ist eben mehr Statement als ein eher unverbindliches Grau. Als Erkennungszeichen des Kraftpakets dient nicht nur die eigenständige Farbe. Nur der XJR575 trägt die Spoilerlippe am Kofferraumdeckel, prangt mit breiteren, ausgestellten Seitenschwellern und zeigt durch Luftauslassöffnungen auf der Motorhaube und dickeren Nasenlöchern, dass ihm ein kräftiges Herz innewohnt. Nicht zu vergessen: Die speziellen 20-Zoll-Felgen des XJR575 geben selbstverständlich den Blick auf die in auffälligem Rot lackierten Bremssättel frei.

Zurück zur Leistung. Erzeugt wird sie von einem 5-l-V8-Benzin-Motor mit Kompressor-Aufladung, an den eine Achtgang-Automatik angeflanscht ist. Die wiederum reicht den Dampf nur an die Hinterachse weiter - den Allradantrieb offeriert Jaguar nur für die Versionen mit 300 PS (Diesel) und 340 PS (Benzin). Im normalen Betrieb ist der Wert für das wuchtige Drehmoment sicher interessanter als die überbordende PS-Zahl. Der Kraftprotz unter der Haube erzeugt 700 Nm, die allerdings erst ab 3.500 Umdrehungen pro Minute erreicht werden. Da der Power-Jaguar bei niedrigeren Drehzahlen keinesfalls unter Schwächeanfällen leidet, beherrscht er das niedertourige sanfte Dahingleiten ebenso souverän wie die eilige Gangart. Und genau die empfiehlt sich, wenn die Rechnung an der Tankstelle die Kreditkarte nicht allzu sehr belasten soll. Denn der angegebene Stadtverbrauch (16,2 l/100 km) macht deutlich, dass häufiges Beschleunigen den 80 Liter-Tank zügig leert. Der fast schon moderate EU-Durchschnittsverbrauch (11,1 l/100 km) wird in der Praxis wohl kaum zu realisieren sein.

Das liegt auch daran, dass die Katze beim Tritt auf das Gaspedal ordentlich faucht und grummelt. Das hört der Sportfahrer gern. Erst einmal in Bewegung, kann man sich über die elektrische unterstütze Lenkung freuen, die den Fahrerwunsch präzise umsetzt. Im "Keller" sorgt das adaptive Fahrwerk dafür, dass alle Straßenzustände gelassen absolviert werden können. An der Vorderachse setzt Jaguar auf Schraubenfedern, an der Hinterachse übernimmt eine Luftfederung diese Arbeit. Je nach Fahrweise sind zwei Fahrwerkseinstellungen anwählbar. Und wenn man zum Umschalten keine Lust hat? Kein Problem, denn das intelligente Fahrwerk adaptiert auch von ganz alleine. Eine ausgebuffte Sensorik misst 100 Mal pro Sekunde die Karosseriebewegungen sowie 500 Mal die Lenkimpulse und passt jeweils die Dämpfereinstellung zwischen Komfort und Sport an.

Die stattliche Fahrmaschine hat allerdings ihren Preis: 143.900 Euro. Es geht aber auch bedeutend preiswerter, denn der Einstieg in die XJ-Modellreihe ist "schon" ab 82.700 Euro möglich. Dann sind 300-Diesel-PS unter der Haube und man sitzt bereits in der wohlklingenden Luxury-Line. Wenn es denn unbedingt ein Benziner mit 340 PS und Allradantrieb sein muss, werden mindestens 93.800 Euro erwartet. In diesem Fall öffnet man sich bereits die Tür zur Premium Luxury Line, allerdings sind darüber noch Portfolio, Autobiography und R-Sport positioniert. Außerdem gibt es noch eine reich bestückte Liste mit Sonderausstattungen. Das "Jaguar-Feeling" ist sicher nicht erst im XJR575, sondern bereits in der Basisversion spürbar. Und die ist keinesfalls zu schwach, um der Katze Sprungkraft zu verleihen.

Klaus Brieter/mid

Technische Daten Jaguar XJR575:
Fünftürige Limousine der Oberklasse, Länge/Breite/Höhe/Radstand in Meter: 5,13/1,90/1,45/3,03, Leergewicht: 1.875 kg, Zuladung: 525 kg, Tankinhalt: 80 l, Kofferraumvolumen: 478 oder 520 l, Motor: V8-Benziner mit Twin-Vortex Kompressor und Direkteinspritzung, Hubraum 5.000 ccm, Leistung: 423 kW/575 PS bei 6.200 - 6.500/min, max. Drehmoment: 700 Nm bei 3.500 - 4.500/min, 0-100 km/h: 4,4 s, Höchstgeschwindigkeit: 300 km/h, 8-Gang-Automatikgetriebe, Heckantrieb, Durchschnittsverbrauch: 11,1 l Super/100km, CO2-Ausstoß: 264 g/km, CO2-Effizienzklasse G, Preis: 143.900 Euro.

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