Gesundheit

Pflegesituation: Wie hilft man den Pflegenden?

  • Andreas Reiners/mp
  • In GESUNDHEIT
  • 8. November 2018, 14:26 Uhr

Pflegebedürftige sind oft auf die Hilfe ihrer Angehörigen angewiesen - konkret sind es rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland, die von Verwandten versorgt werden. Das sind rund drei von vier Pflegebedürftigen. Selten wird dabei nach den Problemen und Wünschen der Pflegenden gefragt.


Pflegebedürftige sind oft auf die Hilfe ihrer Angehörigen angewiesen - konkret sind es rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland, die von Verwandten versorgt werden. Das sind rund drei von vier Pflegebedürftigen. Selten wird dabei nach den Problemen und Wünschen der Pflegenden gefragt. Dabei werden die Hauptpflegepersonen häufiger krank als Personen aus Vergleichsgruppen. Das sind Ergebnisse aus dem Pflegereport 2018, den ein Autorenteam des Socium Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik im Auftrag der Barmer erstellt hat. Im Pflegereport wurden Belastungssituationen und Gesundheitszustände von Hauptpflegepersonen analysiert.

Demnach kommen von den Hauptpflegepersonen 87,5 Prozent nach eigenen Angaben meistens oder immer gut mit der Pflege zurecht. Dennoch bekommt ein Großteil nicht genug Schlaf (38 Prozent), fühlen sich 29,9 Prozent in der Rolle als Pflegender gefangen. Jedem Fünften (20,4 Prozent) ist die Pflege häufig zu anstrengend. Bei 22,7 Prozent wirkt sich ihr Engagement für die Hilfsbedürftigen negativ auf Freundschaftsverhältnisse aus. Jeder Fünfte (18,8 Prozent) hat Zukunfts- und Existenzängste. Nur ein Drittel der pflegenden Personen hat eine aktuelle Erwerbstätigkeit angegeben. Allerdings hat ein Viertel angegeben, wegen der Pflege die Erwerbstätigkeit reduziert oder aufgegeben zu haben.

Hinzu kommt: Pflegende Angehörige sind gesundheitlich stärker belastet. Psychische Leiden sind bei Hauptpflegepersonen mit 48,7 Prozent sehr häufig. In einer nach Alter und Geschlecht strukturgleichen nicht pflegenden Vergleichspopulation haben nur 42,5 Prozent solche Diagnosen. Die Erkrankungshäufigkeit hat bei den Hauptpflegepersonen in den letzten fünf Jahren um 9,1 Prozentpunkte zugenommen und in der Vergleichsgruppe nur um 5,7 Prozentpunkte.

Hochgerechnet ergibt sich aus der Barmer-Versichertenbefragung eine Gesamtzahl von mindestens 185.000 Hauptpflegepersonen, die kurz davor stehen, die Pflege einzustellen. Weitere über eine Million Hauptpflegepersonen wollen die Pflege nur fortsetzen, solange sich nichts an der Situation ändert. Die Autoren erkennen darin insgesamt "eine bedrohliche Ausgangslage".

Die Probleme sind vielschichtig, denn die Hauptpflegeperson muss in der Regel mehrere Aufgaben übernehmen. Sechs von zehn Befragten wünschen sich in mindestens einem der elf abgefragten Aufgabenbereiche weitere Hilfe. Deutlich mehr als die Hälfte hat zudem gar keine Möglichkeiten, jemanden zu finden, der sich eine oder mehrere Wochen um die pflegebedürftige Person kümmert, so dass die Hauptpflegeperson pausieren kann. Häufig werden wegen hoher Kosten, vermuteter geringer Qualität, fehlender Angebote oder hohem Organisationsaufwand Angebote nicht genutzt. Auch der Papierkrieg nervt: Hauptpflegepersonen wünschen sich weniger Bürokratie bei Antragstellungen, würden gern bei Fragen immer dieselbe Fachkraft kontaktieren, hätten gern eine bessere Aufklärung über die Leistungen der Pflegeversicherung und darüber, woher man Hilfe bekommt.

Es gibt aber auch eine andere Seite: Denn Angebote zur Information, Beratung, Schulung und Entlastung werden von den Angehörigen offenbar nur wenig angenommen. Sind die Unterstützungsangebote nicht bekannt oder bieten sie nicht das, was pflegende Angehörige wirklich brauchen? Eine Studie der Universität Witten/Herdecke (UW/H) geht dieser Frage jetzt nach. Sie wird vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und den Pflegekassen gefördert und ermittelt die Einschätzungen pflegender Angehöriger durch eine Befragung. Der Online-Fragebogen wurde nun freigeschaltet und das Projektteam hofft auf eine rege Beteiligung.

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