Fahrbericht

So praktisch ist der Ford Transit als Hybrid-Transporter

  • Rudolf Bögel
  • In FAHRBERICHTE
  • 12. Dezember 2019, 10:38 Uhr

Umweltzonen mit Fahrverboten hängen wie ein Damoklesschwert über Lieferanten und Handwerkern. Kastenwagen mit Verbrennern müssten dann draußen bleiben. Ford hat dafür jetzt eine Lösung. Als erster Hersteller bietet er ein Hybrid-Fahrzeug in der Ein-Tonnen-Nutzlastklasse an. Wir sind den neuen Transit Custom PHEV schon in München gefahren.


Umweltzonen mit Fahrverboten hängen wie ein Damoklesschwert über Lieferanten und Handwerkern. Kastenwagen mit Verbrennern müssten dann draußen bleiben. Ford hat dafür jetzt eine Lösung. Als erster Hersteller bietet er ein Hybrid-Fahrzeug in der Ein-Tonnen-Nutzlastklasse an. Wir sind den neuen Transit Custom PHEV schon in München gefahren.

Kastenwagen, Pritschenwagen, Kleinbus, Langversion, hohes Dach, Einser-Kabine, Zweier-Kabine - den Ford Transit kann man in 450 Varianten haben. Und jetzt kommt noch eine ganz neue dazu. Erstmalig gibt es das Nutzfahrzeug auch als sogenannten PHEV, als aufladbares Hybrid-Auto.

Ford geht hier technisch gesehen aber einen ganz eigenen Weg. Während die meisten Plug-In-Hybride wahlweise von einem E-Motor oder von einem Verbrenner oder von einer Kombi aus beiden direkt angetrieben werden, fährt der Transit immer nur mit dem Elektromotor. Der 1,0-Liter-Benziner aus der erfolgreichen Eco-Boost-Reihe dient nur als Energielieferant für den Akku und hat keinerlei Verbindung zum Antriebsstrang. Das heißt: Wir fahren immer elektrisch, auch wenn der Verbrenner gleichzeitig läuft. Und das ist gewöhnungsbedürftig, wie die Testfahrt zeigt.

Von der Papierform her ist der aufladbare Transit (vier Stunden an einer 230-Volt-Haushaltssteckdose) interessant für Handwerker und Lieferanten sowie für Taxi-Unternehmer und Shuttle-Services. Denn der Transporter soll über 50 Kilometer Reichweite rein elektrisch zurücklegen, die Gesamt-Reichweite liegt bei 500 Kilometern. Seine Feuertaufe hat der Transit Custom Plug-in-Hybrid in London absolviert. 250.000 Kilometer spulten 20 Fahrzeuge im Stadtverkehr ab, um die Frage zu klären: Wie funktioniert das eigentlich im Alltag? Das Ergebnis: 75 Prozent der Fahrten in der City of London wurden emissionsfrei absolviert. Und jede zweite Strecke aus oder in den Speckgürtel der britischen Hauptstadt hinein ebenfalls.

Hört sich gut an und zerstreut zunächst unsere Grundskepsis, ob man mit dieser Reichweite tatsächlich Käufer locken kann. Zumal die Grundpreise mit 57.114 Euro für den Kastenwagen-Lkw 340 L1 und 62.838 (beide Angaben in Brutto) für den besser ausgestatteten Pkw-Kombi schon recht stattlich sind. Warum unser Test-Transit nur 30 Kilometer Reichweite hat, als wir starten? Vermutlich wurde die 13,6 kWh fassende Batterie nicht zur Gänze aufgeladen. Macht aber nichts, da wir dadurch schneller an den entscheidenden Punkt kommen, wie sich das Antriebssystem verhält, wenn der Akku leer ist. Unsere Fahrt erfolgte übrigens mit zwei Passagieren (ein dritter hätte noch auf den Mittelsitz der Einser-Kabine gepasst) und mit halber Zuladung. Die ist im PHEV übrigens genauso groß wie beim Diesel. In der Basisversion sind es sechs Kubikmeter oder 1,138 Tonnen Nutzlast.

Von den vier verfügbaren Fahrstufen wählen wir "EV Jetzt", wir tun einfach mal so, als ob es in der Münchner Innenstadt schon ein Verbot für Verbrenner gäbe. In dieser Einstellung fährt der Transit rein elektrisch. Der Benzinmotor wird deaktiviert, der Akku bis auf das letzte Kilowatt leer gefahren. Zur Verfügung steht uns noch die Stufe "EV Auto", bei der, je nach Bedarf, der Benziner zugeschaltet wird. Zum Beispiel wenn viel Energie benötigt wird, etwa bei Autobahnfahrten, auch wenn der Transit PHEV auf 120 Stundenkilometer abgeregelt ist. Oder man fährt mit "EV Später" und "EV Aufladen". In beiden Modi läuft der Benzinmotor, um entweder die Akku-Ladung hoch zu halten oder sogar die Batterie bis zu 75 Prozent aufzuladen, wenn man weiß, dass man später noch in eine Umweltzone fahren muss. Zusätzlich kann man noch den Grad der Rekuperation, also der Energierückgewinnung beim Bremsen, einstellen. Dazu gibt es beim Automatik-Wählhebel noch die Stufe L.

Mit dem Transit elektrisch unterwegs. Das hat schon was. Nicht nur weil die E-Maschine mit ihrem Drehmoment von 355 Nm gewaltig anschiebt, sondern weil sich so ein schweres Nutzfahrzeug mit seinem Grundgewicht von 2,2 Tonnen ungewöhnlich lautlos durch die Gegend bewegt.

Nach 27 Kilometern kommt allerdings das jähe Erwachen. Plötzlich vertraute Geräusche aus dem Motorraum: Der Benziner ist angesprungen. Und wie! Hochtourig werkelt der Verbrenner vor sich hin, um Strom zu produzieren. Klingt wirklich komisch. Denn die hohe Drehzahl passt so gar nicht zur tatsächlichen Fahrweise, die eher moderat ist. Außerdem hat man permanent das Gefühl, das man aus Versehen die Kupplung gedrückt hat und der Motor deshalb so hochdreht.

Unangenehm wird es, wenn man tatsächlich mal Gas geben muss. Der 1,0-Liter-Motor kämpft im oberen Drehzahlbereich, kann aber nicht die nötige Kraft bereitstellen, um zum Beispiel von der Beschleunigungsspur auf eine dicht befahrene Bundesstraße zu kommen. An einen Überholvorgang ist überhaupt nicht zu denken. Dafür ist die Leistung in diesem Systemzustand einfach zu schwach.

Warum dann so ein kompliziertes System? Bei Ford gibt es darauf nur eine Antwort: Entwicklungskosten und Zeit. Die Kombi aus dem bereits erprobten Eco-Boost-Motor und einem Elektroaggregat war offenbar die schnellere Lösung und die Komponenten dazu schon im Regal. Dass dieses Konzept nicht unbedingt optimal ist, weiß man auch bei Ford. "Die mechanische Energie des Benzinmotors wird nicht direkt genutzt, sondern erst in elektrische (Generator) und dann wieder in mechanische Energie (Elektromotor) gewandelt. Hier treten zwar Wirkungsgradverluste auf, andererseits kann der Verbrennungsmotor in seinem optimalen Arbeitspunkt betrieben werden", heißt es ein wenig geschraubt.

Womit wir beim Verbrauch wären: Nach WLTP-Norm dürfte der Kastenwagen nur rund 3,1 Liter auf 100 Kilometer schlucken. Wir lagen bei der Testfahrt allerdings schon allein bei 6,7 Litern und hatte noch keine 100 Kilometer auf der Anzeige. Fairerweise muss man aber bedenken, dass der Akku nicht voll aufgeladen war.

Unser Fazit: Wer seinen Kastenwagen täglich aufladen kann und überwiegend in der rein elektrischen Reichweite bleibt, hat mit dem Transit einen praktischen Transporter, der auch die Einführung von Umweltzonen nicht fürchten muss. Wer allerdings eine weite Anfahrt vom Umland in die Stadt hat, wie zum Beispiel Handwerker, der sollte sich noch ein Jahr in Geduld üben. Denn 2021 bringt Ford den rein elektrisch betriebenen Transit auf den Markt.

Rudolf Bögel / mid

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