Gesundheit

Gefährliche Keime breiten sich aus

  • Ralf Loweg/mp
  • In GESUNDHEIT
  • 6. Februar 2018, 13:04 Uhr

Für viele Menschen sind Antibiotika gerade in der nasskalten Winterzeit wie ein rettender Strohhalm. Sie verkürzen die Leidenszeit bei einer hartnäckigen Erkältung. Was aber, wenn diese kleinen Heilsbringer in Tablettenform ihren Dienst am menschlichen Körper einfach verweigern? Dann herrscht Alarmstufe Rot. Genau dieses Horror-Szenario könnte jetzt Wirklichkeit werden.


Für viele Menschen sind Antibiotika gerade in der nasskalten Winterzeit wie ein rettender Strohhalm. Sie verkürzen die Leidenszeit bei einer hartnäckigen Erkältung. Was aber, wenn diese kleinen Heilsbringer in Tablettenform ihren Dienst am menschlichen Körper einfach verweigern? Dann herrscht Alarmstufe Rot. Genau dieses Horror-Szenario könnte jetzt Wirklichkeit werden.

Gefährliche Keime, gegen die viele Antibiotika nicht mehr wirken, finden sich in Deutschland in Bächen, Flüssen und Badeseen. Das zeigen Wasser- und Sedimentproben, die der NDR exemplarisch an zwölf verschiedenen Orten in Niedersachsen genommen hat. "Das ist wirklich alarmierend", sagt der Antibiotika-Experte Dr. Tim Eckmanns vom Robert-Koch-Institut zu den Funden. "Die Erreger sind anscheinend in der Umwelt angekommen und das in einem Ausmaß, das mich überrascht."

Die Proben, die der NDR genommen hat, wurden von renommierten Wissenschaftlern der Technischen Universität Dresden und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung am Universitätsklinikum Gießen untersucht. Von den Ergebnissen zeigten auch sie sich überrascht. Sie wiesen in den Proben von allen Orten multiresistente Erreger nach - und auch Resistenzen gegen wichtige Reserve-Antibiotika. Der Gewässerforscher Prof. Thomas Berendonk von der Technischen Universität Dresden sagte im Interview für die NDR-Sendung "Panorama - die Reporter", die Funde bereiteten ihm Sorge. Wenn ein Mensch mit so einem Bakterium "kolonisiert" sei, könne dies ein Problem sein.

Bei den gefundenen Keimen handelt es sich um sogenannte "multiresistente" gram-negative Bakterien (MRGN). Sie bereiten Ärzten seit einigen Jahren größere Sorgen als die bekannten MRSA-Erreger. Denn sie können zu schwerwiegenden Erkrankungen führen, die schwer zu behandeln sind. Und die Zahl der Infektionen durch solche Erreger steigt. Besonders gefährdet sind vorerkrankte Menschen, aber auch Ältere und Neugeborene.

Immer mehr Patienten, die zu ihnen in die Klinik kämen, würden solche multiresistenten Erreger in sich tragen, schon bevor sie aufgenommen würden, sagt Prof. Trinad Chakraborty vom Gießener Universitätsklinikum. "Es gibt eine Quelle für Resistenzen außerhalb der Klinik, und das ist ein Problem, das uns zunehmend interessiert." Dass multiresistente Keime in der Umwelt grundsätzlich ein Risiko darstellen, ist unumstritten. "Die Gefahr ist, dass sie sich ausbreiten und es dann auf den Menschen zurückschlägt", sagt Tim Eckmanns vom Robert-Koch-Institut.

Besonders kritisch sehen die Wissenschaftler Funde des sogenannten "mcr-1-Gens" an fünf der zwölf Probenorte. Bakterien, die so ein Gen in sich tragen, sind resistent gegen das besonders wichtige Reserve-Antibiotikum Colistin. Dieses Notfallmedikament wird nur in lebensbedrohlichen Situationen eingesetzt, wenn alle anderen Antibiotika versagen. Schätzungen zufolge sterben in Deutschland mehrere Tausend Menschen jährlich an Erkrankungen durch multiresistente Keime. Weltweit gelten Antibiotika-Resistenzen als eine der größten Gesundheitsgefahren und als Bedrohung für die gesamte moderne Medizin.

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