Testbericht

Test: Schindelhauer Gustav - City-Charmeur

  • Mario Hommen/SP-X
  • In TESTBERICHT
  • 22. August 2018, 09:26 Uhr

Schindelhauer bietet nicht nur schicke, sondern mittlerweile auch praktische Räder für den Alltag. Wie etwa das Gustav, das zudem viel Marken-DNA zum vergleichsweise kleinen Preis bietet.

Wie die meisten Testräder wurde uns auch das Schindelhauer Gustav im großen, schmucklosen Pappkarton angeliefert. Doch auch in diesem Fall lässt die Verpackung keine Schlüsse auf den Inhalt zu. Im Gegenteil: Bereits das Herausheben verblüfft, denn das erstaunlich leichte Bike kann man locker mit einer Hand aus dem Karton hieven.

Diese Hand wird zugleich Zeuge der Verarbeitungs- und Materialgüte. Ein schöner, gleichmäßig aufgetragener grauer Lack, kaum sicht- und spürbare Schweißnähte am Rahmen sowie einige schicke Details vermitteln gehobenes Qualitätsniveau. Erfreulich auch: das reduzierte, aufgeräumte Design. Hier scheint nichts überflüssig, alles passt gut in- und zueinander. Und das Gustav bietet einige pfiffige Lösungen wie etwa den im Schutzblech integrierten LED-Frontscheinwerfer, glatte und dennoch beidseitig rutschfeste Pedale, oder den für die Marke typischen Riemenantrieb. Stylish, sauber, elegant - dieses Rad kann sich nicht nur sehen, sondern auch fahren lassen.

Vorher werden allerdings noch der Frontgepäckträger mit vier Schrauben am Lenkrohr montiert sowie Lenker und Sattel in Position gebracht. Zwar sitzt man einigermaßen aufrecht und ruhen die Hände recht entspannt auf den selbst nach längerer Fahrzeit haptisch angenehmen Lenkergriffen, dennoch hat man zugleich auch das Gefühl, auf einem leicht sportlichen Rad zu sitzen. Diesen Eindruck vermittelt auch der schmale Sattel, der das Sitzfleisch mit seiner nachgiebigen aber nicht zu weichen Unterfütterung schont. Die Gewöhnungszeit ist kurz, zumal nichts stört, vor allem keine Geräusche, denn beim Gustav klappert nichts. Ebenfalls nahezu lautlos arbeitet der Riemenantrieb im Zusammenspiel mit der tadellos funktionierenden Achtgang-Nexus-Nabenschaltung. Lediglich die breiten und zudem voluminösen Horizon-Reifen von WTB sorgen mit ihrer recht glatten Lauffläche abhängig vom Untergrund für leichte aber keineswegs übertrieben laute Abrollgeräusche.

Wichtiger aber: Sind die Pneus nicht zu prall mit Luft gefüllt, werden viele kleinere Unebenheiten zwischen Fahrbahn und Felge in erfreulich geschmeidiger Art egalisiert. Insgesamt bietet das gut 13 Kilogramm schwere Gustav einen gelungenen Kompromiss aus einer leicht sportlichen und zugleich bequemen Auslegung - für den Einsatz in der Stadt, und dafür ist das Gustav gedacht, ein guter Spagat. Auch Touren sind möglich, allerdings sollte der achte Gang dann eine längere Übersetzung bieten. Wem diese zu kurz ist, kann beim Fahrradhändler oder bei Schindelhauer direkt Alternativ-Übersetzungen bekommen. Künftig will Schindelhauer das Gustav ohnehin grundsätzlich mit einem größeren Riemenrad ausliefern.

Und dann ist das Gustav auch noch praktisch, denn zur Serienausstattung gehört ein breiter und solider, am Lenkrohr verschraubter Frontgepäckträger, der bis zu 15 Kilogramm schweres Gepäck aufnehmen kann. Als Besonderheit bietet Schindelhauer für diesen zwei elastische Befestigungsriemen, die sich dank zahlreicher Ösen stramm über Taschen oder Rucksäcken legen lassen. Werden die Riemen nicht benötigt, befestigt man sie einfach um den Gepäckträgerrahmen herum. Diese Lösung erlaubt jedenfalls ein sicheres Fixieren von Transportgut, welches sich zudem stets im Blickfeld des Fahrers befindet. Allerdings: Ist das Gepäck vorne etwas schwerer, führt das zu etwas nervigem Vorderradflattern und Unruhe in der Lenkung. Wer mehr oder auch schwereres Gepäck transportieren will, sollte jedenfalls einen Heckgepäckträger nachrüsten. Schindelhauer empfiehlt hier den Racktime Fold it. Sieht man vom Vorderradflattern einmal ab, fährt sich das Gustav aber erfreulich stabil und sicher, die mechanischen Scheibenbremsen von TRC überzeugen zudem mit ordentlicher Bremsleistung. Stabil ist auch der serienmäßig montierte, zweifüßige Zentralständer.

Angesichts von Verarbeitung, Design und den Komponenten geht ein Preis von gut 1.300 Euro für das Gustav absolut in Ordnung. Für ein Schindelhauer-Bike ist das sogar erfreulich wenig. Das liegt allerdings auch an einigen kostenoptimierten Komponenten, denn anders als bei den höherwertigen Baureihen kommt beim Gustav und seinem Schwestermodell Greta die günstige CDN-Version des Gates-Riemenantriebs zum Einsatz, bei der viele Bauteile aus Kunststoff statt aus Metall sind. Im Vergleich zur Kette bietet der Riemen nur die doppelte Lebensdauer, während die teure CDX-Version vier Mal so lange halten soll. Auch bei Sattel und Lenkergriffen wird beim Gustav statt echtes nur Kunstleder verwendet. Bei den Schaltungen hat man schließlich die Wahl zwischen der günstigen SRAM-Zweigang-Automatik der Basisversion oder der 150 Euro teuren Achtgang-Nabenschaltung von Shimano. Allerdings handelt es sich dabei nicht um das Alfine-, sondern um das günstigere Nexus-Getriebe. Trotz teilweise kostenoptimierter Komponenten ist das Gustav ein dennoch gut gemachtes und gefälliges Alltagsbike, das wir mit schwerem Herzen aber leichter Hand nach dem Test wieder in den schnöden Karton zurückbefördern.

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