Fahrbericht

Die mid-Zeitreise: Testbericht Yamaha XJ 600N

  • Motor-Informations- Dienst (mid)
  • In FAHRBERICHTE
  • 10. September 2021, 16:39 Uhr
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mid Groß-Gerau - "Weniger ist mehr" - unter diesem Motto hat Yamaha Anfang 1994 die XJ 600N auf den Markt gebracht. Das N steht dabei für naket oder nackt. Archiv Motor-Informations-Dienst (mid)

Am 25. Juli 1994 berichtete der Motor-Informations-Dienst (mid) im 39. Jahrgang über die Yamaha XJ 600N.


Am 25. Juli 1994 berichtete der Motor-Informations-Dienst (mid) im 39. Jahrgang über die Yamaha XJ 600N.

"Weniger ist mehr" - unter diesem Motto hat Yamaha Anfang 1994 die neue XJ 600N auf den Markt gebracht. Das N steht dabei für naket oder nackt, uns so stört denn auch kein Verkleidungsteil den Blick auf den schönen Reihen-Vierzylindermotor. Optisch wirkt die Maschine wie aus einem Guss: auf alles, was die harmonische Linienführung beeinträchtigen könnte, wurde konsequent verzichtet.

Beim ersten Kontakt mit der Maschine fällt die Tourenmäßig entspannte Sitzhaltung auf. Der Lenker passt: Er ist weder zu breit noch zu hoch, und die Beine finden einen guten Knieschluss am 17 Liter fassenden Tank. Lediglich Fahrer über 185 Zentimeter Körpergröße wünschen sich eine höhere Sitzbank oder weiter vorne angebrachte Fußrasten. Keine Klagen kommen vom Sozius, der selbst längere Urlaubsetappen bequem zurückgelegt hat. Die Armaturen müssen nicht besonders erwähnt werden: Sie entsprechen dem bekannten funktionalen Yamaha-Standard.

Nachdem der Choke voll gezogen ist, springt der Yamaha-Vierzylinder beim ersten Druck auf den Starter willig an, um dann bis auf rund 2.000 Touren im Leerlauf hochzudrehen. Bereits nach wenigen Metern Fahrt kann aber auf die Starthilfe verzichtet werden, und der Motor zieht seidenweich und mit harmonischer Leistungsentfaltung bis in die oberen Drehzahlbereiche. Während bei rund 4.000 Touren Schwingungen zu spüren sind, läuft die XJ 600N ansonsten vibrationsfrei.

Weniger Positives lässt sich von der Schaltung berichten. Die Kupplung erfordert für ein modernes Motorrad vergleichsweise hohe Kräfte, und die Gänge rasten zwar exakt, jedoch nicht gerade weich ein. Negativ bemerkbar macht sich die Auspuffanlage. Bis zirka 3.000 Umdrehungen dröhnt der Sound unangenehm in den Ohren von Fahrer und Beifahrer. Ein Punkt, der in der weiteren Modellentwicklung von Yamaha berücksichtigt werden sollte.

Das Fahrwerk hinterlässt einen geteilten Eindruck. Auf der einen Seite werden selbst engste Kurven spielerisch und ohne Kraftaufwand durchfahren. Auf der anderen Seite läuft das Hinterrad Spurrillen oder aufgeklebten Fahrbahnmarkierungen hinterer. Fairerweise ist hier zu erwähnen, dass dies nie gefährlich wird, sondern sich lediglich in einer leichten Fahrwerksunruhe zeigt.

Federung und Dämpfung sind auf Komfort ausgelegt und damit für eine etwas sportlichere Gangart zu weich geraten. Insbesondere bei schlechter Fahrbahnbeschaffenheit fällt auf, dass die Abstimmung noch weiter optimiert werden kann.

Die Bremsen haben die auf 34 PS gedrosselte Yamaha jederzeit im Griff - für gute Verzögerungswerter muss jedoch bei Vorder- und Hinterradbremse kräftig zugelangt werden. Da die XJ 600N gleichzeitig auch mit 61 PS in einer ungedrosselten Version angeboten wird, muss die Frage gestellt werden, inwieweit in diesem Falle Fahrwerk und Bremsen der Leistung gerecht werden. Umso mehr, als man sich gerade bei Überholmanövern mit zwei Personen und Gepäck diese Kraft häufiger wünscht.

So ist die Yamaha in erster Linie ein attraktives Einsteigermodell mit hoher Alltagstauglichkeit und besten Voraussetzungen für ausgedehnte Touren auf kurvigen Landstraßen - gerade in der aktuellen Sonderserie mit Sturzbügeln, einem sehr stabilen Gepäckträger und Packtaschen. Und: Wo gibt es sonst einen Reihen-Vierzylinder für unter 10.000 DM.

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