Fahrbericht

UAZ Buchanka: Auf Tour im fabrikneuen Oldtimer

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mid Groß-Gerau - Wird seit über 60 Jahren fast unverändert gebaut: der UAZ Buchanka aus Russland. Rudolf Huber / mid

Es klingt unglaublich, aber es ist wahr: Der UAZ Buchanka wird seit mehr als 60 Jahren fast unverändert gebaut. 1958 erblickte der Kastenwagen im Uljanowski Awtomobilny Sawod (Uljanowsker Automobilwerk, UAZ) das Licht der Welt. Der Motor-Informations-Dienst (mid) hat sich mit dem fabrikneuen Oldie auf Zeitreise begeben. Überraschungen inklusive.


Es klingt unglaublich, aber es ist wahr: Der UAZ Buchanka wird seit über 60 Jahren fast unverändert gebaut. 1958 erblickte der Kastenwagen im Uljanowski Awtomobilny Sawod (Uljanowsker Automobilwerk, UAZ) das Licht der Welt. Der Motor-Informations-Dienst (mid) hat sich mit dem fabrikneuen Oldie auf Zeitreise begeben. Überraschungen inklusive.

Buchanka heißt auf russisch Kastenbrot, worauf dieser Name anspielt, wird beim ersten Blick auf den kompakten Korpus des freundlich in die Welt blickenden russischen Dauerbrenners klar. Er ist rundum schnörkellos, verschenkt keinen Platz an die Motorhaube und nur wenig an die Fahrerkabine. Dafür geht es hintendrin im 2018 aufgelegten und immer noch produzierten Jubiläumsmodell so richtig geräumig zu. Bis zu sieben Sitze lassen sich im Fond unterbringen oder bis zu 875 Kilo transportieren. Und hintendran dürfen Anhänger mit bis zu 2,5 Tonnen.

Vorne geht es recht eng zu, auch weil sich die beiden Sitze nur minimal verstellen lassen. Wegen der sehr hoch stehenden Pedale für Bremse (beißt sehr fix zu) und Kupplung (sorgt erst sehr spät für den Kraftschluss) ergibt sich beim Gangwechsel und beim Verzögern zwangsweise eine Bewegungsabfolge mit geradezu gymnastischer Note. Der Schalthebel fürs Fünfganggetriebe ragt nackt und bloß aus dem Bodenfilz, die Gangwahl gestaltet sich bis auf die ungewohnt langen Schaltwege relativ entspannt und exakt. Man muss den Zahnrädern nur genügend Zeit geben, sich zu sortieren.

Das große, dünne Lenkrad steht sehr flach vor dem Bauch des Fahrers, die Präzision der Lenkung ist ausbaufähig, aber mit etwas gutem Willen und reichlich Konzentration klappt auch bei ungeübten UAZ-Piloten eine einigermaßen gerade Linie. Eine echte Überraschung ist der 2,7-Liter-Benziner zwischen Fahrer- und Beifahrersitz. Zum einen arbeitet er gut gedämmt und recht geschmeidig, zum anderen liefert er zwar nur 112 PS, aber ein maximales Drehmoment von immerhin 198 Nm bei überschaubaren 2.500 U/min. Bedeutet: Mit dem Buchanka kann man auch mal untertourig im großen Gang cruisen - und trotzdem hat er genug Mumm, um dann ohne Schaltarbeit zu beschleunigen. Das schont auch den Inhalt der mittig links (45 Liter) und rechts (25 Liter) untergebrachten Tanks. Um die zwölf Liter genehmigt sich der russischen Einspritzer bei normaler Fahrweise.

Und bis zu 150 km/h sind angeblich möglich, empfehlenswert ist dieses Tempo aber ganz sicher nicht. Bei 100 bis 115 Kilometern pro Stunde fühlen sich Buchanka und Fahrer am wohlsten. Die Beschleunigung von null auf 100 km/h gibt UAZ-Importeur Dimitri Schwab von "Made in Russia" im oberbayerischen Prutting bei Rosenheim gar nicht erst an.

Aber das ist sowieso ein Wert, der Menschen mit Buchanka-Infektion reichlich egal ist. Ihnen ist wichtig, dass sie einen echten Exoten mit hohem Nutzwert bewegen. Und dass der mit Fähigkeiten aufwartet, die es sonst in dieser Fahrzeugklasse weit und breit nicht mehr gibt: Der UAZ-452, so sein offizieller Name, ist nämlich ein echter Offroad-König. Wo er nicht durchkommt, kommt man mit einem Kastenwagen auch nicht durch. Dafür sorgen etwa die Bodenfreiheit von 20,5 Zentimetern, der zuschaltbare Allradantrieb, die Geländeuntersetzung und die im zweifarbigen Jubiläumsmodell serienmäßig installierte elektrische Differenzialsperre.

Weil es kaum Karosserie-Überhänge gibt, wühlt sich der UAZ munter steile Auffahrten hinauf. Er macht bei Wasserdurchfahrten nicht schlapp (Wattiefe: 50 Zentimeter) und wuselt lässig über Stock und Stein. In Zahlen: Wattiefe 50 Zentimeter, Rampenwinkel 27 Grad, Böschungswinkel 30 Grad. Werte, bei denen die aktuellen Soft-SUVs schon längst den Dienst quittiert haben.

Ein fabrikneuer UAZ und ein Fahrzeug, das Dimitri Schwab seiner von ihm auf die Eignung zum Buchanka-Fahren sorgfältig ausgesuchten Kundschaft übergibt, unterscheiden sich deutlich. Der Experte für russische Fabrikate (außer UAZ noch Apal, GAZ, Niva und SOEKS) investiert nämlich aus gutem Grund in jedes Fahrzeug eine Menge Zeit und Material, um es auf ein möglichst langes Autoleben vorzubereiten. Denn was die Fabrik in Uljanowsk verlässt, wird unter Profis allenfalls als Basis für umfangreiche Verbesserungen gesehen: Intensive Rostvorsorge, Rundum-Abdichten frei liegender Blechnähte, kiloweise Abschmierfett und ein Kat-Einbau stehen dabei ebenso auf dem Programm wie die optionale Standheizungs-Montage oder die nachgerüstete Zentralverriegelung. Und wer nochmal 690 Euro investiert, kann sich über einen auf rund 140 PS erstarkten Motor freuen. Übrigens: Ab 21.990 Euro ist so ein Kastenbrot zu haben, das Jubiläumsmodell kostet ab 24.990 Euro.

Das ist relativ wenig Geld für einen Siebensitzer mit Heavy-Duty-Allradantrieb, aber relativ viel Geld für ein Fahrzeug auf dem technischen Stand der späten 1950er Jahre. Und dennoch ist der Buchanka Schwabs Bestseller. Für ihn entscheiden sich, wenn sie denn der "Made in Russia"-Chef nach ausführlichen Testfahrten in den überschaubaren Käuferkreis aufgenommen hat, hauptsächlich Enthusiasten mit chronischem Fernweh, die den UAZ als kompaktes Reisemobil einsetzen und gerne in Richtung Osten fahren. Und die vielleicht auch ein ganz klein wenig verrückt sind nach dem riesigen Schritt in die automobile Vergangenheit bei jedem Meter mit dem Kastenbrot.

Rudolf Huber / mid

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