Fahrbericht

R8 Spyder performance RWD: Wenn ein deutscher Sportwagen italienisch "spricht"

img
mid Ingolstadt - Pfeilschnell: Auch wenn der Hecktriebler 50 PS weniger hat als der quattro, beeindrucken seine Leistungsdaten. Audi

Ist ein Sportwagen weniger sportlich, wenn man den Allrad- durch Heckantrieb ersetzt und dem Motor 50 PS raubt? Dass diese Frage durchaus mit 'nein' beantwortet werden kann, beweist der Audi R8 Spyder V10 performance RWD, mit dem der Motor-Informations-Dienst einen Ausritt wagte.


Ist ein Sportwagen weniger sportlich, wenn man den Allrad- durch Heckantrieb ersetzt und dem Motor 50 PS raubt? Dass diese Frage durchaus mit "nein" beantwortet werden kann, beweist der Audi R8 Spyder V10 performance RWD, mit dem der Motor-Informations-Dienst einen Ausritt wagte.

Geht es darum, einen imposanten Auftritt zu zelebrieren, dann inszeniert sich der Audi R8 perfekt: Der Daumendruck auf den roten Knopf des Lenkrads wird zunächst mit einer kurzen schöpferischen Pause quittiert, in der man nur das dezente Drehen des Anlassers und das Schmatzen der Einspritzventile hört. Danach bricht ein Donnergrollen aus: Triebwerk und Auspuff ringen akustisch um die Vorherrschaft. Offensichtlich spricht der Auspuff italienisch, denn er intoniert auf eine Art, wie es sonst bei Ferrari, Lamborghini und Co. üblich ist. Dabei müsste der R8 als Heilbronner eher schwäbisch sprechen.

Sobald der Motor seine Wohlfühltemperatur erreicht hat, stehen im Spyder performance RWD 570 PS bereit, die via Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe zur Hinterachse fließen. Als hurtig sprudelnde Quelle der Leistung gibt der Zehnzylinder (V10) sein Bestes. Der 5,2-l-Sauger verzichtet auf jegliche Unterstützung von Turboladern, was zwar das Erreichen des maximalen Drehmoments von 580 Newtonmeter erst bei 6.400 Umdrehungen pro Minute zur Folge hat, aber keinesfalls ein Manko bedeutet.

Auch die 50 "fehlenden" PS gegenüber der quattro-Variante werden nicht vermisst, denn laut Datenblatt kostet das den offenen Flitzer gegenüber dem Allradler lediglich zwei km/h bei der Spitze und 0,7 Sekunden bei der Beschleunigung bis zum Tacho-Skalenwert 100. In diesen Standard-Disziplinen werden dem Hecktriebler 327 km/h und 3,8 Sekunden attestiert. Sicher genug, oder?

Denn Fahrspaß zu erleben, heißt sicher nicht, sich ständig am Limit zu bewegen. Die Bandbreite der Fahrfreude offeriert der R8 Spyder eher, wenn er zum Ausritt über kurvenreiche Landstraßen getrieben wird. Denn die Symbiose aus knackigem Fahrwerk und direkter Lenkung findet genau dort ihre Erfüllung. Jeder kleinste Befehl am Lenkrad wird ohne Verzögerung präzise umgesetzt - so lassen sich Kurvenradien exakt nach fahren, egal, wie weit sie sich von einem gleichmäßigen Bogen entfernen.

Hinzu kommt die Eigenart des Heckantriebs, bei sehr zügiger Gangart in engen Biegungen oder Serpentinen mit dem hinteren Geläuf nach außen zu drängen. Das Übersteuern wird vom ESP trotz der hohen Motorleistung dennoch sicher gezügelt, sodass die Drifts im Rahmen bleiben. Dieses Fahrgefühl war genau einer der Gründe, warum Audi den R8 nicht nur als quattro offeriert.

Der enge Kontakt zwischen Fahrer und Auto wird auch mit den Schaltwippen am Lenkrad garantiert. Schließlich greift der sportlich orientierte Kunde gern selbst ein, um den passenden Gang zur Fahrsituation auszuwählen. Mit der idealen Position der Hände am Volant wird rechts hoch- und links runtergeschaltet. Das kann vor Kurven nützlich sein, um die minimale Schaltpause zu vermeiden, die dem an sich rapide arbeitenden DSG-Getriebe eigen ist, wenn der rechte Fuß aus einem hohen Gang heraus spontan starke Leistung einfordert.

Um im Innenraum Rennwagenatmosphäre zu vermitteln, laden je nach Ausstattungsvariante zwei Schalen- oder Sportsitze zum Platznehmen ein, außerdem werden auf dem Display vor dem Fahrersitz neben den wichtigsten Daten auch die momentan abgerufenen Anteile von Leistung und Drehmoment dargestellt. Der Drehzahlmesser nimmt bei der gebräuchlichen Einstellung die zentrale Position ein: Sein roter Bereich beginnt erst bei Drehzahl 8.500.

Da der Spyder das Offenfahren nahelegt, haben die Insassen bei dieser Offerte quasi das Ohr immer direkt im Sound. Schließlich werkelt das edle Triebwerk als Mittelmotor unmittelbar hinter ihren Schulterblättern. Ob Grummeln oder Trompeten, Knallen oder Nachmaulen, ob mit oder ohne geschlossener Auspuffklappe: Der orchestrierte Klang aus Mechanik und Verbrennung teilt sich ungefiltert mit. Dabei kann der R8 auch leise. Denn beim Dahingleiten oder Gaswegnehmen koppelt sich der Motor vom Getriebe ab und schaltet einzelne der zehn Töpfe ab. So brabbelt das Kraftwerk zufrieden in Zimmerlautstärke vor sich hin

Wer nun denkt, dass bei einem Grundpreis von 162.000 Euro ein Komplettpaket geschnürt ist, irrt. Der Testwagen hatte für 27.000 Euro Zusätzliches an Bord (nur ein Bruchteil aus der langen Aufpreisliste), wobei allein die Außenfarbe und die Lederausstattung rund 4.000 Euro verschlingen. Auch das Navigationssystem ist mit rund 3.400 Euro kein Sonderangebot. Aber was soll es? Die Ziel-Kundschaft des Audi R8 muss sicher nicht jeden Cent umdrehen, um sich diesen Luxus zu gönnen. Da spielt dann auch der Verbrauch nicht die große Rolle. Bei zurückhaltender Fahrweise kommt der durstige Geselle durchaus mit rund 14 Litern aus, bei eiligem Einsatz fließen eher 15 bis 20 Liter Super Plus pro 100 Kilometer in die Brennräume.

Was auch als sicher gilt: Der Sport-Bolide ist bei dieser Kaufklientel bestimmt nicht das einzige Fahrzeug in der Garage. Denn mit einem Kofferraumvolumen von 112 Litern ist - ironisch formuliert - nur ein zweites Handschuhfach vorhanden, das ernst zu nehmendes Reisegepäck kaum aufnehmen kann. Das "Erdgeschoss" ist eher in derselben Kategorie wie ein edles Rennpferd angesiedelt, das beim passenden Wetter für einen überschaubaren Ritt übers Land gesattelt wird. Noch, denn dieses Bündel automobiler Emotionen wird keinen Nachfolger haben. Fragt sich nur, welche Sprache ein denkbarer aber völlig anders gearteter künftiger Elektrosportler ohne Auspuff dann sprechen wird.

Technische Daten Audi R8 Spyder V10 performance RWD

- Länge / Breite / Höhe: 4,43 / 2,04 (mit Außenspiegel) / 1,24 Meter
- Motor: V10-Sauger mit Benzin-Direkteinspritzung
- Hubraum: 5.204 ccm
- Leistung: 419 kW/570 PS
- max. Drehmoment: 550 Nm
- Getriebe: 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe, Heckantrieb
- Beschleunigung: 0 bis 100 km/h in 3,8 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit: 327 km/h
- Normverbrauch (WLTP): 13,4 - 13,8 l/100 km Super
- CO2-Emissionen (WLTP): 305 - 313 g/km
- Preise: ab 162.000 Euro
- Testwagenpreis: 189.380,01 Euro


Klaus Brieter

STARTSEITE