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Schwacher Auftritt im TV-Duell nährt Zweifel an Bidens Präsidentschaftskandidatur

  • AFP
  • In POLITIK
  • 28. Juni 2024, 17:54 Uhr
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Joe Biden bei der TV-Debatte Bild: AFP

Ein stockender und sich verhaspelnder Biden, ein energischer und konzentrierter Trump: Im ersten TV-Präsidentschaftsduell des Wahljahres machte Amtsinhaber Biden eine schlechte Figur. Nun wird überlegt, ob er als Kandidat ausgetauscht werden sollte.

Nach dem schwachen Auftritt von Präsident Joe Biden im ersten TV-Duell des Wahljahres mit Donald Trump sind die US-Demokraten in höchstem Maße beunruhigt. Innerhalb der Partei werde nach dem Fersehduell diskutiert, ob es vier Monate vor der Präsidentenwahl zu spät sei, den 81-jährigen Biden durch einen jüngeren Kandidaten oder eine Kandidatin zu ersetzen, berichtete die "New York Times" am Freitag. Andere Medien berichteten von einer regelrechten "Panik" bei den Demokraten.

Biden sparte in der Debatte in der Nacht zum Freitag am Hauptsitz des Senders CNN in Atlanta im Bundesstaat Georgia zwar ebenso wie sein Kontrahent nicht mit harten Angriffen und nannte Trump einen "Versager" und notorischen Lügner, wirkte aber insgesamt nicht auf der Höhe. Er stockte häufiger und kam ins Stottern, der 78-jährige Trump wirkte sehr viel energischer und konzentrierter.

Dies wurde ein Stück weit sogar von Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris eingeräumt. Sie sagte, Biden habe einen "langsamen Start" gehabt, aber dann einen "starken Schluss" hingelegt. Der Präsident selbst zog ein positives Fazit: "Ich denke, wir haben uns gut geschlagen", sagte er beim Besuch eines Waffel-Restaurants nach der Debatte. 

Eine CNN-Umfrage ergab jedoch, dass 67 Prozent der Zuschauer in Trump den Gewinner des Duells sahen. Biden - mit seinen 81 Jahren der älteste Präsident der US-Geschichte - sprach in der 90-minütigen Debatte mit heiserer Stimme und verhedderte sich wiederholt in seinen Formulierungen. Zudem ließ er Sätze unbeendet und starrte mit geöffnetem Mund vor sich hin, während sein Kontrahent sprach.

Nach Angaben seines Wahlkampfteams litt der Präsident an einer Erkältung. Biden nährte mit seinem Auftritt jedoch die Zweifel im eigenen Lager, ob er fit genug ist für eine zweite Amtszeit. Es sei ein "wirklich enttäuschender Abend" für den Präsidenten gewesen, räumte Bidens frühere Kommunikationsdirektorin Kate Bedingfield ein. In den Umfragen für die Präsidentenwahl hatten sich Biden und Trump vor dem TV-Duell ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert.

Das Echo in den Medien und auch in Teilen seines eigenen politischen Lagers war für Biden desaströs. "Die Demokraten werden von einem Albtraum geweckt", titelte etwa das Portal "Politico". Maria Shriver, die Ex-Frau des ehemaligen kalifornischen Gouverneurs Arnold Schwarzenegger und Nichte des ermordeten demokratischen Präsidenten John F. Kennedy, schrieb im Onlinedienst X, Bidens Auftritt sei "herzzerreißend" gewesen. In der Demokratischen Partei herrsche "Panik".

US-Medien berichteten über Überlegungen bei den Demokraten, Biden als Präsidentschaftskandidaten zu ersetzen. Es habe "hektische" Anrufe und Textnachrichten zwischen Parteimitgliedern und sogar Ministern der Biden-Regierung gegeben. Bisher rief kein prominenter Parteivertreter Biden zum Rückzug auf. "Ich werde Präsident Biden niemals den Rücken kehren", sagte etwa der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, der schon als möglicher Ersatzkandidat für Biden gehandelt wurde.

Beobachter gehen davon aus, dass ein Kandidatenwechsel politisch äußerst heikel wäre - und Biden selbst vor dem Nominierungsparteitag der Demokraten im August den Weg dafür freimachen müsste. 

Der Transatlantik-Beauftragte der Bundesregierung, Michael Link (FDP), sagte dem "Tagesspiegel" nach dem Fernsehduell, er halte einen Kandidatenwechsel noch für möglich. Ein Regierungssprecher hielt sich bedeckt, betonte aber das gute Verhältnis von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu Biden.

Trump verbreitete in der TV-Debatte erneut zahlreiche eklatante Falschbehauptungen, etwa über vermeintlichen Wahlbetrug bei seiner Niederlage gegen Biden 2020 und eine angeblich dramatische Zunahme von Gewaltdelikten durch illegal ins Land gelangte Migranten. Eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob er den Ausgang der bevorstehenden Präsidentschaftswahl akzeptieren werde, gab Trump nicht. Er machte vielmehr die Einschränkung, dass er das Ergebnis nur dann anerkennen werde, "wenn es eine faire und legale und gute Wahl ist".

Der voraussichtliche Präsidentschaftskandidat der Republikaner griff Biden auch wiederholt hart an, indem er ihn etwa als "schlimmsten Präsidenten in der Geschichte unseres Landes" bezeichnete. Er kontrollierte aber seine Mimik, während Biden sprach, und fuhr insgesamt weniger aggressive Attacken gegen seinen Rivalen als während seiner Wahlkampfkundgebungen. 

Die tiefgehende persönliche Feindschaft zwischen Trump und Biden - die mehr als vier Monate vor der Wahl im November noch nicht offiziell als Präsidentschaftskandidaten von ihren Parteien nominiert sind - wurde in der Debatte mehr als deutlich. So verzichteten sie schon zu Beginn darauf, sich die Hände zu schütteln.

In Trumps Lager wurde das TV-Duell gefeiert. Der langjährige republikanische Wahlkampfberater Keith Nahigian nannte Bidens Vorstellung "die schlimmste, die ich je gesehen habe". 

Am Freitag will Biden seine Kampagne zur Wiederwahl bei einer großen Veranstaltung im umkämpften Bundesstaat North Carolina wieder in Schwung bringen. Trump soll im benachbarten Bundesstaat Virginia auftreten.

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