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Krise in Frankreich: Lecornu nach Rücktritt erneut zum Premier ernannt

  • AFP
  • In POLITIK
  • 10. Oktober 2025, 23:05 Uhr

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Das Ringen um eine stabile Regierung in Frankreich geht in eine neue Runde: Staatschef Emmanuel Macron betraute am Freitagabend erneut Sébastien Lecornu mit der Regierungsbildung - obwohl dieser erst vor wenigen Tagen an dieser Aufgabe gescheitert war. Der 39-Jährige erklärte im Onlinedienst X, "aus Pflichtgefühl" akzeptiere er die abermalige Ernennung zum Premierminister Frankreichs. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, die mit einer hohen Staatsverschuldung zu kämpfen hat, durchlebt die seit Jahren schwerste innenpolitische Krise.

"Der Präsident der Republik hat Sébastien Lecornu zum Premierminister ernannt und ihn beauftragt, eine Regierung zu bilden", teilte der Elysée am Abend in Paris mit. Der Vertraute Macrons war am Montag angesichts der großen innenpolitischen Widerstände nach nicht einmal einem Monat im Amt zurückgetreten. 

Der Präsident hatte ihn danach dennoch beauftragt, weiter mit Vertretern aller Parteien über Grundzüge eines Regierungsprogramms zu verhandeln. Auf ihn kommt nun die Aufgabe zu, trotz aller Widerstände einen Sparhaushalt durch das Parlament zu bringen, auf den Frankreich wegen seiner Staatsverschuldung dringend angewiesen ist. 

Lecornu erklärte im Onlinedienst X, er akzeptiere "aus Pflichtgefühl" die erneute Ernennung durch den Präsidenten. Die von ihm zu bildende neue Regierung werde für Erneuerung stehen müssen. Die Regierungsmannschaft, die Lecornu am vergangenen Sonntag vorgestellt hatte, hatte auch deshalb massive Kritik ausgelöst, weil zahlreiche Minister ihre Posten behalten hatten und die Chance auf eine Erneuerung verpasst wurde.

Von den Parteien am linken und rechten Rand kam am Freitagabend umgehend eine Kampfansage an die neue Regierung. Der Chef der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, kündigte im Onlinedienst X an, seine Partei werde "sofort" ein Misstrauensvotum gegen die neue Regierung im Parlament einbringen. Er nannte die Nominierung Lecornus einen "schlechten Scherz".

Die linkspopulistische Partei La France Insoumise (LFI) kündigte ihrerseits auf X die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Macron an. "Frankreich und sein Volk werden gedemütigt", erklärte ein Parteivertreter. Die Ernennung Lecornus sei ein "Stinkefinger gegenüber den Franzosen von einem verantwortungslosen Menschen, der von seiner Macht berauscht ist".

Die Sozialisten, deren Unterstützung für die Bildung einer stabilen Regierung unerlässlich ist, forderten weiterhin ein Aussetzen der von Macron 2023 durchgesetzten Rentenreform, die in Frankreich äußert unpopulär ist. Macron habe jedoch "keine klare Antworten" auf die Frage nach einem Aussetzen der Reform gegeben, sagte Parteichef Olivier Faure nach einer Unterredung mit dem Präsidenten. So wie die Dinge stünden, gebe es keine Garantie, dass seine Partei nicht auch gegen die nächste Regierung stimmen werde.

Frankreich verzeichnet eine Rekordverschuldung in Höhe von 3,4 Billionen Euro. Sowohl die Verschuldung in Höhe von 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als auch das Defizit in Höhe von 5,8 Prozent nähern sich jeweils dem Doppelten der EU-Grenzwerte. Die Ratingagentur Fitch hatte im vergangenen Monat die Kreditwürdigkeit Frankreichs wegen der bestehenden politischen Instabilität herabgestuft. 

Seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 hat Frankreich keine stabile Regierung mehr. Macron hatte vorgezogene Neuwahlen ausgerufen, um seine Machtbasis im Parlament zu konsolidieren - tatsächlich scheiterte das Vorhaben, das Regierungslager verlor seine relative Mehrheit und die RN von Marine Le Pen ging gestärkt aus der Wahl hervor. Seitdem ist die Nationalversammlung in drei Blöcke gespalten - das linke Lager, das Regierungslager in der Mitte und das rechtspopulistische Lager, von denen keiner auf eine Mehrheit kommt. 

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