Vertreterinnen und Vertreter der SPD-Basis wenden sich einem Medienbericht zufolge in einem Mitgliederbegehren gegen die von der Bundesregierung geplante Bürgergeldreform. 'Die SPD darf keine Politik mittragen, die Armut bestraft', heißt es darin.
Vertreterinnen und Vertreter der SPD-Basis wenden sich in einem Mitgliederbegehren gegen die von der Bundesregierung geplante Bürgergeldreform. "Die SPD darf keine Politik mittragen, die Armut bestraft", heißt es in der Begründung des Begehrens, das am Dienstag in Berlin bekannt wurde. "Wir, engagierte Mitglieder der SPD, erheben unsere Stimme gegen die aktuellen und geplanten Verschärfungen im Bereich des SGB II (Bürgergeld)."
Unter den 167 Erstunterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Mitgliederbegehrens sind Juso-Chef Türmer und weitere führende Vertreterinnen und Vertreter der Jungsozialisten sowie zahlreiche Mitglieder von SPD-Landesvorständen und weitere Funktionsträgerinnen und -träger auf Landes- und Kommunalebene, jedoch keine aktiven Bundestagsabgeordneten. Auf der Internetseite mitgliederbegehren.org wurde zur Mitzeichnung aufgerufen. Bis Dienstagnachmittag wurden mehr als 1100 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner registriert.
Das Mitgliederbegehren enthält drei Forderungen. So sollen die Sanktionen beim Bürgergeld nicht wie geplant verschärft werden, Betroffene sollen mehr Unterstützung erhalten und die SPD solle sich populistischen Narrativen stärker entgegenstellen. "Die Diskussion um das Bürgergeld ist auf die Ursachen von Armut zu lenken anstatt auf symbolpolitische Maßnahmen", heißt es in dem Text, über den zuerst der "Spiegel" berichtet hatte. "Eine Modernisierung und eine Effizienzsteigerung des Sozialstaates ist zu unterstützen, aber kein Sozialabbau."
Die Beteiligten wenden sich ausdrücklich gegen erneute Sozialstaatsverschärfungen wie bei der Agenda 2010 unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder. "Die SPD muss sich dafür einsetzen, dass die soziale Spaltung geringer wird", fordern sie stattdessen. "Die Verschärfung des Drucks auf arbeitslose Menschen bewirkt das Gegenteil und wird von uns abgelehnt", heißt es weiter.
"Bislang ist beim SPD-Parteivorstand kein Mitgliederbegehren angezeigt worden", erklärte auf Anfrage eine Sprecherin des SPD-Parteivorstands. Sobald dies der Fall sei, müsste dort zunächst die Zulässigkeit geprüft werden. Als weitere Hürde muss ein geplantes Begehren von einem Prozent der Parteimitglieder unterstützt werden und zwar aus mindestens zehn Unterbezirken aus drei Bundesländern. Dafür stellt der Parteivorstand den Initiatorinnen und Initiatoren eine Online-Plattform bereit.
Wird das Quorum innerhalb von zwei Monaten erreicht, startet das eigentliche Mitgliederbegehren. Es ist erfolgreich, wenn es innerhalb von drei weiteren Monaten von mindestens 20 Prozent der Mitglieder unterstützt wird. Wird das Begehren dann nicht als Beschluss umgesetzt, findet ein verbindlicher Mitgliederbescheid über das Anliegen statt. Dabei kann der Parteivorstand auch einen Gegenvorschlag unterbreiten.
Von Seiten der CDU/CSU wurde Unverständnis über den Vorstoß aus der SPD-Basis geäußert. Die Reform sei "gemeinsam im Koalitionsvertrag vereinbart" worden, sagte der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger (CDU), am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Diesem habe auch die SPD-Basis zugestimmt, und "wir erwarten von der SPD, dass sie sich auch daran hält." Die Bürgergeld-Reform sei "längst überfällig", mahnte Bilger.
Kritik kam auch vom Chef der Jungen Union, Johannes Winkel (CDU). "Ob bei Rente oder Bürgergeld: Es nervt, wenn andauernd der Koalitionsvertrag infrage gestellt wird", sagte Winkel dem "Spiegel". Winkel stellte auch die Rolle der Sozialdemokraten als Koalitionspartner in Frage: "Wenn die SPD keine Lust mehr hat, Verantwortung für Deutschland zu übernehmen, soll sie es ehrlich sagen."
Der Koalitionsausschuss der schwarz-roten Bundesregierung hatte sich Anfang Oktober auf Verschärfungen für Bürgergeldempfänger geeinigt, die angebotene Jobs ablehnen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte an, dass diese spätestens im Frühjahr in Kraft treten sollen. Vorgesehen ist unter anderem, dass Leistungen nach dem dritten versäumten Termin komplett gestrichen werden. Beim zweiten versäumten Termin soll es eine sofortige Kürzung von 30 Prozent geben.
