Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat beim neuen Wehrdienst ein gerechtes Verfahren zur Gewinnung neuer Rekrutinnen und Rekruten gefordert. Das Verfahren müsse 'verlässlich und fair' sein.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat beim neuen Wehrdienst ein gerechtes Verfahren zur Gewinnung von Rekrutinnen und Rekruten gefordert. "Um unsere Verteidigungsfähigkeit zu steigern, braucht die Bundeswehr jetzt mehr Soldatinnen und Soldaten", sagte Steinmeier zwar am Mittwoch bei einem feierlichen Gelöbnis anlässlich des 70-jährigen Bestehens der Bundeswehr in Berlin. Aber: "Wir brauchen dafür ein Verfahren, das verlässlich und fair gewährleistet, dass die Bundeswehr ihre Aufgaben in Zukunft besser erfüllen kann."
Die ersten "richtigen Schritte" dahin würden "in Kürze mit einem neuen Wehrdienstgesetz gegangen", betonte Steinmeier mit Blick auf die Bundestagsberatungen über das Wehrdienst-Gesetz von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). "Nach meiner Überzeugung (...) wäre langfristig eine 'Pflichtzeit für alle' am gerechtesten, die die einen bei der Bundeswehr und die anderen im sozialen Bereich verrichten", erneuerte Steinmeier seine Anregung eines sogenannten Gesellschaftsjahres.
Die Bundespräsident betonte, dass Deutschland und Europa angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine "mit neuen Bedrohungen" konfrontiert seien. Dieser "Epochenbruch" erfordere ein "Umdenken" in der Verteidigungspolitik. "Wir Deutsche müssen diese neue Herausforderung annehmen und alles dafür tun, um rasch militärische Stärke zu entwickeln: nicht um Krieg zu führen, sondern um ihn nicht führen zu müssen", sagte Steinmeier.
Militärische Stärke sei kein Ersatz für Diplomatie und Außenpolitik, sondern diene dazu, "ernst genommen zu werden und andere davon abzuhalten, uns anzugreifen", sagte der Bundespräsident. "Unser Beitrag zur wirksamen Abschreckung ist jetzt gefordert - jetzt und in der näheren Zukunft." Dabei bestehe "hoher Zeitdruck beim Ausbau der militärischen Fähigkeiten". Die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft insgesamt werde "uns viel abverlangen in den nächsten Jahren". Er sei sich aber sicher, "dass wir auch diese Bewährung bestehen werden".
Auch Verteidigungsminister Pistorius betonte die Notwendigkeit einer starken deutschen Armee. "Wir müssen unsere Abschreckungs- und verteidigungsfähigkeit stärken - jetzt entschlossen und ohne Zögern", sagte der Minister anlässlich des Gelöbnisses vor Reichstag und Kanzleramt in Berlin. "Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen", sei das Ziel, betonte Pistorius. "Das ist der Sinn einer verteidigungsbereiten Bundeswehr."
Die Bedrohung durch Russland sei real, sagte Pistorius weiter. Sie dürfe "nicht kleingeredet werden, weder aus Angst, noch aus politischen Gründen". Pistorius betonte: "Deutschland und Europa stehen unter Druck - militärisch, politisch, wirtschaftlich. Und dieser sicherheitspolitische Umbruch geht mit neuen Anforderungen an unsere Bundeswehr einher."
Steinmeier und Pistorius würdigten auch die Verdienste der Bundeswehr in ihrer 70-jährigen Geschichte. Die Bundeswehr sei "fest verankert in der Demokratie, dem Recht und der Freiheit verpflichtet, kontrolliert und beauftragt durch das Parlament", betonte Pistorius. Es sei eine Armee, in der "jeder Soldat und jede Soldatin dem eigenen Gewissen verpflichtet ist und eben nicht ausschließlich Befehlen womöglich noch blind folgt". Steinmeier sagte, dass Deutschland "mit Dankbarkeit und Anerkennung auf seine Armee blickt".
Anlässlich des 70-jährigen Bestehens der Bundeswehr legten am Mittwochnachmittag in Berlin 280 Rekrutinnen und Rekruten des Wachbataillons bei dem feierlichen Gelöbnis öffentlich ihren Eid ab. Auf der Besuchertribüne saßen neben Steinmeier und Pistorius weitere Vertreterinnen und Vertreter der Verfassungsorgane sowie der Bundeswehr. Der 12. November ist ein historisches Datum: Vor genau 70 Jahren ernannte der damalige Verteidigungsminister Theodor Blank (CDU) die ersten 101 Freiwilligen der neu gegründeten Bundeswehr. Öffentliche Vereidigungen gibt es allerdings erst seit den 1990er Jahren.
