Nach der Brandkatastrophe in Hongkong mit mehr als 150 Todesopfern haben die Behörden eine Untersuchung des Unglücks durch einen 'unabhängigen Ausschuss' angekündigt. Das Gremium solle eine 'tiefgreifende Prüfung' vornehmen, sagte Hongkongs Regierungschef John Lee.
Nach der Brandkatastrophe in Hongkong mit mehr als 150 Todesopfern hat Regierungschef John Lee eine Untersuchung des Unglücks durch einen "unabhängigen Ausschuss" angekündigt. Das Gremium solle "eine umfassende und tiefgreifende Prüfung" vornehmen, um Praktiken in der Baubranche zu ändern und "ähnliche Tragödien in der Zukunft" zu verhindern, sagte Lee am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Die Leitung der Kommission soll demnach ein Richter übernehmen.
Der Nachrichtenagentur AFP sagte Lee, die Behörden hätten im Zusammenhang mit dem Großbrand einige Fehlleistungen festgestellt. Daher seien Reformen in den Bereichen Bau, Instandhaltung, Sicherheit und Aufsicht notwendig. "Wir müssen entschieden vorgehen um sicherzustellen, dass alle diese Schlupflöcher gestopft werden, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können", betonte Lee.
Der Großbrand war am Mittwoch vergangener Woche im Wohnkomplex Wang Fuk Court im nördlichen Stadtteil Tai Po ausgebrochen. Das Feuer wütete über 40 Stunden lang in sieben der acht Hochhausblöcke der Wohnanlage, die insgesamt fast 2000 Wohneinheiten umfasst. Am Freitag wurde der Löscheinsatz abgeschlossen. Bislang wurden 151 Todesopfer gefunden.
Die Ermittlungen ergaben, dass ein Teil der Schutznetze, die bei der Renovierung der Hochhäuser genutzt wurden, nicht den Feuerschutzstandards entsprachen. Außerdem waren die Hochhäuser für die Renovierungsarbeiten mit Bambusgerüsten eingerüstet worden.
In der chinesischen Sonderverwaltungszone und ehemaligen britischen Kronkolonie ist es politische Praxis, für aufwendige Überprüfungsverfahren Untersuchungsausschüsse einzusetzen, die in der Regel von einem Richter geleitet werden. Wegen der Brandkatastrophe haben die Polizei und die Anti-Korruptionsbehörde bereits gemeinsame Ermittlungen eingeleitet, die zu 14 Festnahmen führten, davon 13 wegen Tötungsvorwürfen.
"Die verantwortlichen Schuldigen haben versucht, nicht den Standards entsprechenden Schutznetze mit ordentlichen Netzen zu mischen, um die Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden zu täuschen", sagte Lee. Die Beschuldigten bezeichnete der Hongkonger Regierungschef als "böse".
Die Brandkatastrophe hatte bei den Hongkongern nicht nur Trauer und Bestürzung ausgelöst, sondern auch Fragen nach der Verantwortung für das Unglück. Medienberichten zufolge wurden allerdings mehrere Menschen, die offen eine Untersuchung forderten, wegen Aufwiegelung festgenommen, darunter der 24-jährige Student Miles Kwan, der dazu für eine Petition geworben hatte.
Auch der frühere Bezirksstadtrat Kenneth Cheung und ein weiterer Beschuldigter wurden Medienberichten zufolge von der Polizei abgeführt. Cheung erklärte später auf Facebook, er sei gegen Kaution wieder freigekommen.
Regierungschef Lee antwortete auf eine Frage von AFP nach diesen Festnahmen, er werde "keinerlei Vergehen tolerieren, insbesondere Vergehen, die die Tragödie ausnutzen, mit der wir es jetzt zu tun haben". Zudem wies er Mutmaßungen zurück, die für Sonntag geplanten Hongkonger Legislativratswahlen würden wegen des Großbrands verschoben.
Eine von Vertretern der Zivilgesellschaft für Dienstag anberaumte Pressekonferenz, bei der es unter anderem um Bauvorschriften und die Hilfe für die Betroffenen der Brandkatastrophe gehen sollte, wurde kurzfristig abgesagt.
In einem U-Bahn-Tunnel in der Nähe des Unglücksorts wurden viele Botschaften der Betroffenheit in Form bunter Klebezettel hinterlassen. Derartige sogenannte Lennon Walls waren auch in der Hochphase der Pro-Demokratie-Proteste in Hongkong 2019 entstanden. Als AFP-Reporter am Dienstagnachmittag (Ortszeit) zu der improvisierten Gedenkstätte zurückkehrten, waren die Klebezettel entfernt. Allerdings waren neue auf Wänden, Pfählen und Bänken aufgetaucht.
