Sachsen

Tochter von NSU-Opfer fordert von Zschäpe: "Sage die Wahrheit"

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Eingang zu Oberlandesgericht Dresden Bild: AFP

Im Prozess gegen eine mutmaßliche Unterstützerin des NSU vor dem Oberlandesgericht Dresden ist es während der Zeugenbefragung von Beate Zschäpe zu einem Zwischenfall gekommen. Die Tochter eines Mordopfers forderte Zschäpe zur Wahrheit auf.

Im Prozess gegen eine mutmaßliche NSU-Unterstützerin vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden haben Angehörige von Opfern der rassistischen Mordserie von Mittäterin Beate Zschäpe mehr Aufklärung gefordert. Als Zschäpe am Donnerstag in ihrer Zeugenaussage sagte, sie könne sich nicht für die Mordtaten der rechtsextremen Zelle entschuldigen, weil es dafür "keine Entschuldigung" gebe, stand die Tochter des Mordopfers Mehmet Kubasik auf und rief Zschäpe aus dem Zuschauerraum lautstark zu: "Dann sage die Wahrheit."

Gamze Kubasik forderte von Zschäpe Angaben, "wer euch unterstützt hat", und fügte an die NSU-Mittäterin gerichtet hinzu: "Du hast mein Leben zerstört." Es gab kurzzeitig einen kleinen Tumult im Zuschauerraum, Kubasik wurde von Justizbeamten aus dem Saal gebracht. Die Verhandlung wurde daraufhin vorübergehend unterbrochen.

Die rechtsextremistische Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) verübte insgesamt zehn Morde, zwei Bombenanschläge und mehr als ein Dutzend Überfälle. Die NSU-Täter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos entzogen sich im November 2011 durch Suizid einer drohenden Festnahme nach einem Raubüberfall in Eisenach.

Zschäpe versandte anschließend eine Reihe von Bekennerschreiben, mit denen sich der NSU selbst enttarnte. Zschäpe wurde 2018 im Münchner NSU-Prozess zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, außerdem stellte das Oberlandesgericht die besondere Schwere der Schuld fest. 

Die 50-Jährige sagte, sie habe von den Morden im Vorfeld nichts gewusst, und bestritt erneut, an den Ausspähungen beteiligt gewesen zu sein. Aber anhand "bestimmter Faktoren", vor allem der Vorbereitungen durch Mundlos und Böhnhardt, habe sie gewusst, dass Morde geschehen würden. Dass Dritte an der Ausspähung der späteren Tatorte in verschiedenen Städten beteiligt gewesen seien, "möchte ich ausschließen", sagte Zschäpe.

Als die Vorsitzende Richterin Simone Herberger nach den Motiven für die Ermordung von Menschen mit Migrationshintergrund fragte, sagte Zschäpe nur, dies sei "unerklärlich". Sie seien "aufgrund ihrer Herkunft und ihres Äußeren" getötet worden. Diese Willkür sei "das Schlimmste", sagte Zschäpe. "Wie soll ich mich jemals dafür entschuldigen, dafür gibt es keine Entschuldigung."

In dem Prozess vor dem OLG Dresden muss sich seit Anfang November Zschäpes einstige Vertraute Susann E. wegen Unterstützung einer inländischen terroristischen Vereinigung und Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung verantworten. Die 44-Jährige ist die Ehefrau von André E., der in München als NSU-Helfer verurteilt wurde.

Susann E. soll laut Anklage unter anderem Zschäpe ihre Identität geliehen haben, als diese in Zwickau im Untergrund lebte. Zschäpe bestätigte erneut, dass die Angeklagte E. auch in die Anmietung eines Wohnmobils eingebunden war. Mit diesem Wohnmobil waren Mundlos und Böhnhardt zu ihrem letzten Raubüberfall gefahren.

Die 50-Jährige erzählte auch am zweiten Tag ihrer Befragung am Donnerstag stundenlang etwa Details aus dem Zusammenleben mit Mundlos und Böhnhardt im Untergrund, blieb an vielen anderen Stellen hingegen sehr vage.

Anfangs habe das Trio Schreckschusswaffen besessen, später hätten Mundlos und Böhnhardt immer scharfe Waffen dabei gehabt, berichtete sie, ohne auf die Herkunft der Waffen einzugehen. Auch in der letzten konspirativen Wohnung in Zwickau hätten fast in allen Zimmern Waffen gelegen.

Nach ihrer Aussage versuchte das NSU-Trio, nach außen hin ein möglichst normales Leben aufrecht zu erhalten. Sie berichtete von Fahrradausflügen, Grillen im Garten von Susann und André E., Doppelkopfrunden und der Aufteilung der Hausarbeit. Sie hätten alles gemieden, wo sie hätten auffallen oder kontrolliert werden können, etwa Hauptbahnhöfe oder Demonstrationen.

Die Zeugenbefragung von Zschäpe, die ihre Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz verbüßt, soll Ende Januar fortgesetzt werden.

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