Die Bundesregierung will die Einreisegesuche von 640 Menschen aus Afghanistan zurückweisen, obwohl diese bereits in offiziellen deutschen Aufnahmeprogrammen verzeichnet sind. Den Betroffenen werde 'mitgeteilt, dass kein politisches Interesse zur Aufnahme mehr vorliegt'.
Die Bundesregierung will die Einreisegesuche von mehreren hundert Menschen aus Afghanistan zurückweisen, obwohl diese bereits in offiziellen deutschen Aufnahmeprogrammen verzeichnet sind. Den rund 640 Betroffenen werde "in den nächsten Tagen mitgeteilt, dass kein politisches Interesse zur Aufnahme mehr vorliegt", sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin. Für diese Menschen gebe es aber weiterhin Unterstützungsangebote - etwa für eine Rückreise nach Afghanistan oder eine Ausreise in Drittstaaten.
Betroffen sind Afghaninnen und Afghanen, die von der Ampel-Regierung wegen ihrer besonderen Gefährdung in die sogenannte Menschenrechtsliste aufgenommen worden waren. In vielen Fällen handelt es sich dabei um zivilgesellschaftlich aktive Menschen, die den radikalislamischen Taliban-Machthabern ablehnend gegenüber stehen.
Ebenfalls von der Absage Deutschlands betroffen sind jene Menschen, die in das Überbrückungsprogramm für Afghanistan aufgenommen worden waren - oftmals sind dies Afghaninnen und Afghanen, die in ihrem Heimatland für deutsche Organisationen tätig waren.
Die Betroffenen sollten aber in ihrem aktuellen Zufluchtsland Pakistan weiter von Deutschland unterstützt werden, sagte die Sprecherin des Bundesinnenministeriums in Berlin. "Sie werden also nicht in die Obdachlosigkeit getrieben oder auf die Straße gesetzt", fügte sie hinzu.
Die Flüchtlings-Hilfsorganisation Pro Asyl warf Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vor, die betroffenen Menschen durch die Verweigerung der Einreise in Lebensgefahr zu bringen. Für die Bundesregierung sei "dieser schändliche Umgang mit Menschen in Lebensgefahr eine moralische Bankrotterklärung", kritisierte Pro-Asyl-Geschäftsführer Karl Kopp.
"Die Vorgängerregierung hat diesen Menschen nur aus einem Grund die Aufnahme versprochen: Sie haben sich in Afghanistan für Frauenrechte, Menschenrechte und Freiheit eingesetzt", erklärte Kopp. "Dobrindt lässt sie nun endgültig in akuter Lebensgefahr in Pakistan zurück. Ihnen droht nun, dass sie in die Hände des islamistischen Taliban-Regimes geraten."
Zuvor hatten in einem am Mittwoch veröffentlichten offenen Brief mehr als 250 deutsche Organisationen die Bundesregierung aufgefordert, die Schutzsuchenden aus Afghanistan mit Aufnahmezusage nun auch tatsächlich aufzunehmen. "Die Zeit drängt, es zählt buchstäblich jeder Tag", heißt es in dem Brief, der an Bundesinnenminister Dobrindt und Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) gerichtet ist.
Zu den Unterzeichnern zählen Pro Asyl, Terre des Hommes, Amnesty International, der Paritätische Gesamtverband, Human Rights Watch und Brot für die Welt. Den Angaben zufolge warten rund 1800 afghanische Menschen darauf, nach Deutschland in Sicherheit zu kommen. Über 70 Prozent von ihnen seien Frauen und Kinder. Die pakistanische Regierung drohe ihnen mit der Abschiebung nach Afghanistan, wenn sie nicht bis Ende Dezember das Land verlassen haben.
