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Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Der ehemalige FDP-Chef und frühere Bundesfinanzminister Christian Lindner hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) scharf attackiert. Zwar schätze er Merz, allerdings liefere der Kanzler nicht, was er angekündigt habe, sagte Lindner dem Sender ntv. Noch schlimmer sei: "Er macht ja oft das Gegenteil dessen, wovon er über Jahrzehnte gesagt hat, dass das im überragenden Interesse des Landes wäre", so Lindner.
"Der Neuanfang bleibt aus", konstatierte Lindner. "Wir haben Merz-Schulden, aber keine Merz-Reformen." Stattdessen steige die Staatsquote und staatliche Lenkung zulasten der Marktwirtschaft. "Am Ende dieses Jahrzehnts werden wir einen hohen Anteil des Bundeshaushalts für Zinsen aufwenden, für die Schulden, mit denen Merz seine Kanzlerschaft begründet hat", kritisierte Lindner. Zudem habe Merz im Zuge des 90-Milliarden-Euro-Hilfskredits für die Ukraine, der vom EU-Haushalt abgesichert wird, "die rote Linie der Gemeinschaftsschulden in Europa aufgegeben". Aufgrund "mangelhafter Vorbereitung in Brüssel und aufgrund des Irrtums, man folge ihm schon, nur weil er Bundeskanzler ist".
Flankierende durchgreifende Strukturreformen seien dagegen nicht zu erkennen. Zwar sei beim Bürgergeld "ein bisschen was passiert - es wird umbenannt", so Lindner. Die Reformen gingen aber "nicht weit genug". Die Pauschalierung der Kosten der Unterkunft beispielsweise sei eine Verwaltungsvereinfachung und bringe auch zusätzliche Anreize, mit den Ressourcen sparsamer umzugehen. Sie sei aber nach wie vor nicht angegangen worden. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. "Wir brauchen grundsätzlich einen schlankeren Sozialstaat, steuerliche Entlastungsmaßnahmen für die Wirtschaft, nicht erst Ende des Jahrzehnts, Klimaneutralität 2050 und nicht schon 2045."
Gerhard Schröder hätte seinerzeit vorgemacht, dass es auch anders ginge, so Lindner. "Ich bin jetzt weit entfernt davon zu sagen, dass die Agenda 2010 allein unser Land wieder auf den Erfolgspfad geführt hat, aber immerhin gab es einen Basta-Kanzler, der die eigene Abwahl in Kauf genommen hat, um aber dann fast wiedergewählt zu werden." Der "Fastgewinn" von Schröder "nach mutiger Reformpolitik" sei allerdings leider nicht vorbildhaft geworden in Deutschland. Stattdessen sei die "Beweglichkeit politischer Entscheider" heute von Ängstlichkeit geprägt.
Einzig für das neue Altersvorsorgedepot findet Lindner lobende Worte. "Das ist die einzige gute Idee der Großen Koalition - die sie allerdings nicht selbst hatte." Lindner sprach von einem Game-Changer. "Man muss ja den Unter-50-Jährigen sagen, wer wirklich noch an das Versprechen der Politik glaubt, dass die gesetzliche Rente in dreißig Jahren noch den Lebensstandard sichern wird, der verlässt sich auch auf den Osterhasen."
Er sei allerdings gespannt, ob das Altersvorsorgedepot auch mit der Wahloption Leibrente und Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr komme, so Lindner. "Die Versicherungen wollen natürlich die Leibrente, die auf Lebenszeit läuft. Das Argument ist: Die Leute unterschätzen, wie alt sie werden. Aber natürlich sind da auch bestimmte ökonomische Interessen der Anbieter. Ich glaube dagegen, wir sollten den Menschen die Freiheit lassen, sich für einen Auszahlungsplan zu entscheiden."
