Panorama

Anette Bronder gibt auf der Kienbaum-Konferenz Einblicke in datengetriebene Geschäftsmodelle

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Anette Bronder @ Bild: techfacts.de

Das Beratungshaus Kienbaum hat vor kurzem die vierte virtuelle Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Brave New Work“ abgehalten. Viele hochrangige Führungskräfte waren mit dabei. Ein Rückblick:

Unter dem Motto „Shaping the Future“ reichten die Diskussionsthemen der diesjährigen Veranstaltung von Nachhaltigkeit über Leadership bis hin zu neuen Technologien. Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung zog, war die Bedeutung von Daten und die fortschreitende digitale Transformation, die sich in allen Wirtschaftsbereichen europaweit sehen lässt. Diesbezüglich teilte die Rednerin Anette Bronder einige wertvolle Erkenntnisse.

Bronder ist seit über zwei Jahrzehnten eine Vordenkerin in den Bereichen Technologie und Telekommunikation. Vom manager magazin wurde sie unter anderem in die Liste der 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft aufgenommen. Sie hatte Führungspositionen bei einer Reihe von großen Unternehmen inne, etwa bei der Deutsche Telekom, Vodafone und Hewlett Packard Enterprise.

In der Kienbaum-Reihe sprach Anette Bronder mit Sebastian Pacher, Director, über die Notwendigkeit für europäische Unternehmen, datengetriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln sowie über die Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen, um in einer digitalen Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben

Nachfolgend finden Sie eine Zusammenfassung von Bronders Ausführungen.

Anette Bronder: Die Digitalisierung ist in vollem Gange – aber die Daten werden immer noch zu wenig genutzt

Anette Bronder äußerte sich zunächst positiv über das Einläuten der Digitalisierung durch europäische und deutsche Unternehmen. Nach vielen Jahren hätten die Unternehmen endlich ein besseres Bewusstsein für die Wichtigkeit von Daten entwickelt, was zu einer raschen Digitalisierung von Kernprozessen geführt habe.

Die Digitalisierung des Kerngeschäfts und die Migration von Daten in die Cloud sei jedoch nur der Anfang. Viele Unternehmen müssten ihre Datenpolitik und ihre Ziele erst noch definieren. Andere wüssten nicht, wie sie ihre Daten nutzen und sie denjenigen zugänglich machen können, die sie benötigen. Wieder andere schränken ihre Datennutzung durch traditionelle Geschäftspraktiken ein.

„Wir waren stolz darauf, unsere Kernprozesse online zu haben“, sagt Bronder. Doch der nächste Schritt sei jetzt, sich zu fragen: Wie nehmen wir auch an datengetriebenen Geschäftsmodellen teil? Wie schaffen wir es, diese Daten in Unternehmen, die End-to-End-Lösungen verwenden, leicht zugänglich zu machen?

Datenzugriff, Analyse, KI- und IoT-Lösungen in den Mittelpunkt eines Geschäftsmodells zu stellen: Da stecke mehr dahinter als die reine Digitalisierung der Geschäftsprozesse. Obwohl einige Unternehmen bezüglich des Aufbaus datengesteuerter Strukturen schon weiter vorne stünden, seien durchaus Unterschiede zu sehen und es müsse nachgelegt werden – und zwar schnell, wenn europäische Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben wollen.

„Im Kernbereich sind alle schon ganz gut unterwegs. In der Partizipation und Monetarisierung von Daten in neuen Geschäftsmodellen ist noch Nachholbedarf da.“ In dieser Hinsicht ist die Schaffung von gewinnbringenden und skalierbaren Partnerschaften eines der wichtigsten Erfolgsdeterminanten.

„Viele Veränderungen“ bei der Umsetzung datengesteuerter Geschäftsmodelle notwendig

Mut in der Unternehmensleitung war ein Schwerpunkt der diesjährigen Kienbaum-Konferenz „Brave New Work“. Anette Bronder sprach über den Mut, den es für die Optimierung von Geschäftsmodellen in einer datengesteuerten Wirtschaftswelt braucht.

Sie schlägt grundlegende Änderungen an den Geschäftsmodellen vor, um Kernprozesse rund um Data Governance aufzubauen und eine datenzentrierte Unternehmenskultur zu fördern.

Bronder erklärt, wie man agile, datengesteuerte Geschäftsprozesse rund um Data Governance entwickelt: „Wir sollten einfach mal mutig sein, ‚cut and paste‘ machen, ‚go back to the basics‘, weil die Grundmechanismen zum Aufbau einer Data Governance, einer Data Policy und datengesteuerter Geschäftsmodelle von der Mechanik her oftmals gar nicht so unterschiedlich sind.“

Insbesondere die Themen Datenpolitik, -eigentum, -zugriff, -sicherheit müssten das Rückgrat der Unternehmenspolitik bilden, um eine moderne Ende-zu-Ende-Datenperspektive zu ermöglichen. Daten seien der Eckpfeiler bei der Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden und Kooperationspartnern.

Wie Datenstrukturen verwendet werden, um die industrielle Kooperation zu erleichtern, beschreibt Anette Bronder anhand eines Beispiels in der Automobilindustrie und Versicherungsbranche.

Man stelle sich vor, ein Unternehmen sei Versicherungspartner eines Automobilherstellers. Um an neuen Geschäftsmodellen teilzunehmen, würde man den Technologieanbieter und den Cloud-Anbieter eine Industrie-Cloud aufbauen lassen. Da seien Fähigkeiten gefragt, die weit über die Digitalisierung des Kernprozesses hinausgehen. Data Governance würde die Kooperation von Anfang an bestimmen.

„Mut ohne Bodenhaftung ist schwierig“

Geschäftsmodellen neu denken erfordert Mut und birgt ein hohes Maß an Risiko. Während einige Unternehmen mit zunehmender Angst, Risiken einzugehen, gelähmt waren, haben andere „zu stürmisch“ Transformationsprojekte und -prozesse losgetreten und ihre Ziele aus den Augen verloren.

Anette Bronder spricht sich für die Befähigung in Unternehmen und den „Mut zur Disruption“ aus. Allerdings müsste man nicht gleich auf jeden Trend draufspringen. Sie erinnert Manager daran, dass „Mut ohne Bodenhaftung“ nicht funktioniere. Das heißt konkret: faktenbasiert bleiben und die Richtung des Unternehmens verstehen. Bodenhaftung sei eben „wichtig in einer Balance mit der richtigen Einstellung zur Disruption“, so Bronder.

Bei der „Weiterentwicklung einer Datenkultur die eigenen Leute mitnehmen“

Auf die Frage nach dem Mangel an Fachkräften, die für die digitale Transformation in Europa benötigt werden, meint Bronder, dass das Rosinenpicken beim Einstellverfahren ein Teil des Problems sei. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter selbst aus- und weiterbilden – und zwar nicht nur für Positionen im Bereich Data Governance.

Wichtig sei sowohl die „Weiterentwicklung einer Datenkultur“ in Unternehmen als auch deren Monetarisierung, erklärt Bronder. Die eigenen Leute schulen – das sei ein Investment. Es habe aber „nicht nur etwas mit einer technologischen Grundlagentrainingsstruktur zu tun“, sondern es gehe auch um die Einführung einer Kultur im Umgang mit Daten und darum, wie man dem gegenüberstehe.

Bronder will damit sagen, dass Technologie nicht mehr nur eine Angelegenheit der IT-Abteilung sei. Das Wissen, wie man Daten nutzt, analysiert und sichert, sei für jeden Mitarbeiter unerlässlich. Es beseitige Grenzen und Engpässe zwischen Abteilungen, Hierarchien, Partnern und Kunden und mache alle Geschäftsprozesse schneller und agiler.

Der Mensch stehe immer noch im Mittelpunkt eines jeden Geschäftsprozesses, egal wie automatisiert oder digitalisiert er ist. Unternehmen, die nicht auf einer Datenkultur aufbauen, werden nicht in der Lage sein, ein datengesteuertes Geschäftsmodell zu entwickeln.

Die Rolle von Managern bei der Steigerung der Agilität

Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle bei der Definition der Unternehmenskultur und bei den notwendigen Schritten zum Aufbau datengesteuerter Prozesse. Allerdings neigen sie dazu, ihre traditionellen Führungsgewohnheiten beizubehalten. Hier müsse man sich weiterentwickeln, meint Anette Bronder.

Bronder wünscht sich von Führungskräften mehr Mut: „Einfach mal von anderen lernen.“

Sie fordert die Manager nicht auf, bessere Zuhörer zu werden, sondern bessere Partnerschaften mit Unternehmen aus allen Branchen einzugehen: mit Start-ups und sogar mit Konkurrenten könne man die Dateninfrastruktur ausbauen und die Flexibilität erhöhen.

„Man muss nicht immer alles selbst für sich erfinden“, sagt Bronder. Die Entwicklung von Partnerschaften würde uns allen in Deutschland und in Europa guttun. Es bringe Geschwindigkeit, Geschwindigkeit am Markt, Geschwindigkeit am Kunden. Auch könne man dadurch in allen Bereichen, in denen Technologien mit beeinflusst wird, führend werden.

Eine weitere Herausforderung für Manager bestehe darin, die Mitarbeiter von Grund auf zu befähigen. Führungskräfte können dies tun, indem sie ihren Mitarbeitern das „große Ganze" vermitteln, anstatt die Aufgaben zu unterteilen. Die Mitarbeiter wissen lassen, woran sie arbeiten und wie ihre Arbeit mit den Ergebnissen zusammenhängt.

Dann müssen Führungskräfte den Mut haben, „loszulassen und die Leute auch mal machen zu lassen“, anstatt zu delegieren und sich überall einzumischen. Sie meint: „Führungskräfte können viel stärker als Coaches agieren, denn in den Teams ist viel mehr Power, als man denkt.“ Also: erreichbare Meilensteine auf Armlänge festlegen, Erfolgsschritte einbauen und Unterstützung bieten.

Nur wenn den Mitarbeiter die nötige Flexibilität gegeben wird, kann eine datengetriebene Innovation mit Ergebnissen erfolgen.  

Unternehmensleitung und Aufsichtsrat brauchen ein klares Datenverständnis

Vorstandsetagen sind oft die traditionellsten Teile einer Unternehmensstruktur. Die fehlende Kompetenz bezüglich Datenschutz, Daten oder Risiken auf der obersten Ebene kann ein Unternehmen von oben nach unten lähmen. Aufsichtsratsmitglieder als Sparringpartner müssen das Thema Digitalisierung verstehen, um operative Strategien umsetzen zu können und einen guten Beitrag zu leisten.

„Geschäftsmodelle für Konzerne befassen sich zunehmend mit branchenübergreifenden Partnerschaften und dem Aufbau neuer digitaler Ecosysteme“, sagt Bronder. „All diese Themen beruhen auf einem Verständnis der Digitalisierung von Technologien und Daten. Aufsichtsratsmitglieder brauchen ein gewisses Grundverständnis von Technologie.“ Erst dann könne man Risiken definieren und die Risikovermeidung und -minderung unterstützen.

Es reiche nicht aus, dass Führungskräfte und Mitarbeiter datengesteuerte Prozesse einführen. Eine erfolgreiche Umstellung auf ein datengesteuertes Geschäftsmodell erfordert grundlegende Veränderungen auf jeder Ebene – von der Vorstandsetage bis zum Lager.

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