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Karlsruhe verbietet Übergabe an Ungarn - Deutscher aber schon ausgeliefert

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Bundesverfassungsgericht Bild: AFP

Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslieferung eines mutmaßlich linksextremen Menschen aus Deutschland nach Ungarn im Eilverfahren vorläufig verboten. Allerdings wurde der Antragsteller den ungarischen Behörden schon übergeben.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslieferung eines mutmaßlich linksextremen Menschen aus Deutschland nach Ungarn am Freitag im Eilverfahren vorläufig verboten. Allerdings wurde der Antragsteller den ungarischen Behörden kurz zuvor übergeben, wie das Gericht in Karlsruhe mitteilte. Auch die Berliner Generalstaatsanwaltschaft bestätigte das. (Az. 2 BvQ 49/24)

Das Berliner Kammergericht hatte am Donnerstag die Auslieferung des 23 Jahre alten Menschen mit deutscher Nationalität, der sich als nichtbinär einordnet, für zulässig erklärt. Die ungarischen Behörden werfen ihm vor, seit 2017 Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein, die zum Ziel gehabt habe, Rechtsextreme in zahlenmäßiger Überlegenheit koordiniert und unter Einsatz von Teleskopschlagstöcken anzugreifen. 

Anfang Februar 2023 soll er zusammen mit anderen Menschen Sympathisanten der rechtsextremen Szene in Budapest angegriffen und verletzt haben. Auch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt in dem Komplex.

Das Bundesverfassungsgericht veröffentlichte am Freitag den genauen Zeitplan der Entscheidungen. Der Anwalt habe den Beschluss des Kammergerichts, welcher die Auslieferung erlaubte, demnach am späten Donnerstagnachmittag erhalten. 

Die Generalstaatsanwaltschaft teilte dazu mit, dass die deutsche Staatsangehörigkeit laut Kammergericht der Auslieferung nicht entgegenstehe. Ungarn habe ausdrücklich zugesichert, dass der Mensch zur Vollstreckung der Strafe nach Deutschland rücküberstellt werden solle. Die vorgeworfenen Taten sollten ausschließlich in Ungarn und gegen ungarische und polnische Staatsbürger begangen worden sein.

Es sei nicht ersichtlich, dass es in dem ungarischen Verfahren zu staatlichen Eingriffen in die richterliche Unabhängigkeit und dadurch zu einer Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren komme, auch hätten die dortigen Behörden menschenrechtskonforme Haftbedingungen zugesichert. 

In der Nacht wurde bereits mit der Überstellung begonnen, wie das Verfassungsgericht weiter mitteilte. Am Freitagmorgen um 06.50 Uhr sei der Antragsteller zur Durchlieferung nach Ungarn den österreichischen Behörden übergeben worden.

Um 07.38 Uhr sei dann der Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Eine Kammer des Zweiten Senats habe dort gegen 10.50 beschlossen, dass die Übergabe an Ungarn vorläufig untersagt wird. 

Die Generalstaatsanwaltschaft solle sie verhindern und erwirken, dass der deutsche Staatsangehörige zurück in die Bundesrepublik gebracht wird. Das Verbot der Übergabe gelte solange, bis über eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde des Antragstellers entschieden sei, höchstens sechs Wochen.

Gegen 11.00 Uhr sei die Berliner Generalstaatsanwaltschaft telefonisch informiert worden. Diese habe um 11.47 Uhr geantwortet, dass der Antragsteller den ungarischen Behörden schon übergeben worden sei, hieß es weiter. 

Die Generalstaatsanwaltschaft teilte am Freitagmittag mit, dass sie zu dem ungarischen Verfahren keine Angaben machen könne. Als sie von dem Eilantrag erfahren habe, sei der Antragsteller schon nicht mehr in Deutschland gewesen, erklärte sie einige Stunden später. Darum habe sie rechtlich keine Möglichkeit mehr gehabt, die Auslieferung zu stoppen. 

Der Rechtsanwalt des Antragstellers, Sven Richwin, erklärte am Freitagnachmittag gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: "Leider ist die Taktik der Behörden aufgegangen, durch eine Nacht-und-Nebel-Aktion einen effektiven Rechtsschutz auszuhebeln." Hinsichtlich der "höchstrichterlich auferlegten Rückholung" seien "keinerlei Aktivitäten der deutschen Behörden ersichtlich", so Richwin weiter.

Sie könne der einstweiligen Anordnung aus Karlsruhe nicht mehr nachkommen, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft. Die Verfügung habe sich durch die Übergabe kurz zuvor erledigt. Ein Auftrag an die Generalstaatsanwaltschaft, die Rückführung aus Ungarn zu erwirken, "ist der einstweiligen Anordnung nicht zu entnehmen", hieß es. 

Das Bundesverfassungsgericht sei jedoch um einen Hinweis gebeten worden, ob es die Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft teile, "dass sich die einstweilige Anordnung erledigt hat".

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