Kurz vor der erwarteten Ernennung der französischen Regierung hat Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu sich verpflichtet, den Haushalt nicht ohne abschließende Abstimmung durch das Parlament zu boxen.
Kurz vor der erwarteten Ernennung der französischen Regierung hat Premierminister Sébastien Lecornu sich verpflichtet, den Haushalt nicht ohne abschließende Abstimmung durch das Parlament zu boxen. "Ich habe entschieden, auf den Verfassungsartikel 49.3 zu verzichten, der der Regierung erlaubt, die Debatten abzubrechen", sagte Lecornu am Freitag in Paris. Seit 2022 waren alle Haushaltsgesetze der Regierung auf diese Weise durch das Parlament gebracht worden.
Es war das erste Mal seit seiner Ernennung vor gut drei Wochen, dass Lecornu sich öffentlich zu Wort meldete. Er machte deutlich, dass er im Gegenzug erwarte, dass die Opposition die künftige Regierung nicht gleich wieder durch ein Misstrauensvotum stürze. Der Verzicht auf Artikel 49.3 dürfe nicht dazu führen, "dass Frankreich am 31. Dezember keinen Haushalt hat", betonte er.
Lecornu kündigte an, dass er seine Regierungsmannschaft "in einigen Tagen" vorstellen werde. Er räumte ein, dass seine Verhandlungen über eine Art Koalitionsabkommen mit mehreren Parteien gescheitert seien. Der Premierminister zeigte sich offen für Kompromisse mit der linksgrünen Opposition, etwa eine Verbesserung der Mütterrenten oder mehr Steuergerechtigkeit, ohne jedoch Details zu nennen.
Der Fraktionschef der Sozialisten, Boris Vallaud, bezeichnete dies als ungenügend. "Er ruft zum Kompromiss auf (...), aber schlägt keinen vor", sagte er dem Sender France Info. Der Chef der linkspopulistischen Partei La France Insoumise, Jean-Luc Mélenchon, erklärte kurzerhand, dass er dem Premierminister nicht glaube. Er verwies darauf, dass es noch andere Tricks gebe, einen Gesetzestext gegen den Willen der Mehrheit im Parlament durchzusetzen.
Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen, die mit einem Katzenbaby zum Treffen mit dem Premierminister erschienen war, schloss anschließend nicht aus, ein Misstrauensvotum zu unterstützen. Die Vorschläge des Premierministers seien "extrem vage" gewesen, sagte Le Pen.
In der Haushaltsdebatte kommt den Sozialisten eine entscheidende Rolle zu. Der Haushaltsentwurf kann nur verabschiedet werden, wenn die Sozialisten darauf verzichten, die Misstrauensanträge der Links- oder Rechtspopulisten zu unterstützen.
Es wird damit gerechnet, dass Lecornu trotz seines Versprechens eines "Neuanfangs" die einflussreichsten Minister der bisherigen Regierung nicht auswechselt. Nach übereinstimmenden Informationen sollen Außenminister Jean-Noël Barrot, Innenminister Bruno Retailleau, Justizminister Gérald Darmanin und Bildungsministerin Elisabeth Borne ihre Posten behalten. Offen ist das Schicksal von Kulturministerin Rachida Dati, gegen die 2026 ein Korruptionsprozess ansteht.
Neu besetzt wird voraussichtlich das Wirtschaftsministerium, da Amtsinhaber Eric Lombard zu sehr mit dem Sparplan des früheren Premierministers François Bayrou in Verbindung gebracht wird. Zudem muss Lecornu einen Nachfolger für sein bisheriges Amt als Verteidigungsminister finden. Als Kandidatin wird die bisherige Arbeitsministerin Catherine Vautrin genannt.
Lecornu wird voraussichtlich am Dienstag seine Regierungserklärung abgeben, in der er sich dann erstmals näher zu seinen Haushaltsplänen äußern dürfte.
Angesichts der dramatischen Staatsverschuldung in Höhe von etwa 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und einem Defizit von 5,8 Prozent muss Frankreich im kommenden Jahr mit drastischen Einschnitten bei den öffentlichen Ausgaben rechnen. Die Rating-Agentur Fitch hatte kürzlich erst Frankreichs Kreditwürdigkeit herabgestuft.