Parlament

Bundestagsdebatte über Wehrdienst: Pistorius pocht auf umfassende Musterung

  • AFP
  • In POLITIK
  • 16. Oktober 2025, 17:35 Uhr
img
Pistorius im Bundestag Bild: AFP

Im Koalitionsstreit um seine Wehrdienst-Pläne hat sich Bundesverteidigungsminister Pistorius gesprächsbereit gezeigt. Er pochte aber auf die umfassende Musterung ganzer Jahrgänge.

Im Streit um die Wehrdienst-Pläne der Koalition hat sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gesprächsbereit gezeigt. Über mögliche Änderungen könne im parlamentarischen Verfahren diskutiert werden, sagte Pistorius bei der ersten Lesung seines Gesetzesentwurfs im Bundestag. Er bekräftigte aber, dass er ab 2027 die Musterung ganzer Jahrgänge für nötig hält: "Wir müssen wissen, wer unser Land im Spannungs- und Verteidigungsfall mit welchen Qualifikationen verteidigen kann."

Am Dienstag war ein in der Koalition unter anderem von den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Norbert Röttgen (CDU) und Siemtje Möller (SPD) ausgehandelter Kompromissvorschlag zu Änderungen an dem Gesetzentwurf in letzter Minute gestoppt worden. Pistorius hatte in der SPD-Fraktion dazu "erhebliche Bedenken" geäußert. Dem Minister zufolge war ein Hauptgrund für seinen Widerstand die fehlende flächendeckende Musterung, die nach seinen Plänen ab Mitte 2027 kommen soll.

Die Diskussion der vergangenen Tage habe gezeigt, dass es unterschiedliche Vorstellungen bei der Wehrdienstfrage gebe, sagte Pistorius nun im Bundestag. Er sei "offen dafür", darüber im parlamentarischen Verfahren zu sprechen. Der SPD-Minister begrüßte ausdrücklich die Diskussion der vergangenen Tage: "Alles weniger als eine leidenschaftliche, offene, auch hitzige Debatte über eine solche Frage wäre für mich eine Enttäuschung gewesen", sagte er.

Röttgen verwies im Bundestag darauf, dass die Bundeswehr aufgrund der sicherheitspolitischen Herausforderungen vor allem wegen der Politik Russlands und gemäß deutscher Zusagen an die Nato 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten sowie 200.000 Reservistinnen und Reservisten benötige. "Wir wissen, dass wir davon weit entfernt sind", sagte er. Daher sei es wichtig, im Wehrdienst-Gesetz "klar, transparent, kontrollierbar" den notwendigen Aufwuchs der Bundeswehr zu verankern.

Der CDU-Politiker verteidigte auch das in dem Koalitions-Kompromiss vorgesehene Losverfahren zur Auswahl junger Männer, die sich einer Musterung unterziehen und wenn nötig Wehrdienst leisten müssen. Dies sei ein Gebot der Wehrgerechtigkeit, sagte Röttgen. Die Lösung sei "das Zufallsverfahren", denn "es trifft jeden das gleiche Risiko".

Möller, die für die SPD im Bundestag sprach, pochte auf "einen attraktiven, auf Freiwilligkeit basierenden Wehrdienst". Ungeachtet der Differenzen der vergangenen Tage lobte sie die Zusammenarbeit nicht nur mit Röttgen, sondern auch mit Pistorius. "Gemeinsam werden wir im Gesetzgebungsverfahren die offenen Fragen klären und ein gutes Gesetz erarbeiten", sagte auch sie.

Beißende Kritik kam von der Opposition. Von einem "Improtheater unserer Regierung" sprach der Grünen-Verteidigungspolitiker Niklas Wagener. Die Linken-Abgeordnete Desiree Becker schlug ironisch mit Blick auf das Losverfahren eine "Ziehung der Bundeswehrzahlen sonntags vor dem Tatort - mit Gewehr" vor und riet jungen Menschen, Informationen über Möglichkeiten der Kriegsdienstverweigerung einzuholen. Rüdiger Lucassen (AfD) nannte ein Losverfahren den "Gipfel der Ungerechtigkeit".

Die Bundeswehr benötigt bis spätestens 2035 nach Nato-Vorgaben rund 80.000 zusätzliche Soldaten und deutlich mehr aktive Reservisten. Pistorius will dafür ab dem kommenden Jahr einen neuen freiwilligen Wehrdienst schaffen. Im ersten Jahr ist die Teilnahme an der Musterung noch freiwillig, ab Juli 2027 würde sie für alle 18-Jährigen verpflichtend. Der Gesetzentwurf sieht auch vor, zu einer Wehrpflicht umzuschwenken, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden, nennt dafür aber keine konkreten Zielvorgaben.

Der Union reicht dies aber nicht aus. Sie fordert feste Rekrutierungsziele und einen Automatismus, um zur Wehrpflicht zurückzukehren, sollten diese Ziele nicht erreicht werden. Nach dem ausgehandelten Kompromissvorschlag solle zunächst ein Losverfahren bestimmen, wer zur verpflichtenden Musterung muss. Wenn nötig könnten gemäß dem Bedarf der Bundeswehr per weiterem Losverfahren ausgewählte Männer zum Wehrdienst verpflichtet werden. 

STARTSEITE