Nutzfahrzeuge

Ford Transit: Fit für die erste Liga?

  • Wolfgang Tschakert (vm)
  • In NUTZFAHRZEUGE
  • 14. Juli 2015, 11:16 Uhr

Der neue Ford Transit soll laut Hersteller alles besser können als seine Vorgänger. Der große Transporter von Ford zielt geradewegs auf den Mercedes-Benz Sprinter. Kann er dem Marktführer gefährlich werden?

Der neue Ford Transit soll laut Hersteller alles besser können als seine Vorgänger. Der große Transporter von Ford zielt geradewegs auf den Mercedes-Benz Sprinter. Kann er dem Marktführer gefährlich werden? Der Transit zählt seit jeher zu den Vernunftangeboten des Marktes. Bei Handwerkern genießt er besonderes Ansehen. Ford bietet viel Transporter fürs Geld, in Sachen Technik fuhr der Transit aber nie vorneweg. Solide war er aber immer, man musste nur mit kleinen Nachlässigkeiten leben können.

Jetzt bringen die Kölner ihr großes Modell mit erheblichen Ambitionen in Stellung. Der neue Ford Transit hebt sich mit leicht nostalgischer Rundhauber-Optik von seinen kleineren, eher dynamischen Markenkollegen ab. Der große Transporter ist wahlweise als Front- oder Hecktriebler, für den harten Einsatz sogar als Allradler zu haben - aber nur bis 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht. Das schwere Transporter-Geschäft verrichtet man besser mit Heckantrieb, diese Meinung teilen die Kölner mit Mercedes-Benz und anderen Wettbewerbern.

Die kleinste Variante des Ford Transit ist der "L2/H2". Die Länge L1 und die Höhe H1 gibt es nicht. Der getestete 3,5-Tonner ist sechs Meter lang (L3) und 2,54 m hoch (H2). In diesem Format fasst der Laderaum elf Kubikmeter bzw. vier Europaletten. Die kann man auch bequem mit dem Stapler laden - von rechts, von links und von hinten. Die 1,30 m breiten und fast dachhohen Schiebetüren lassen sich mit wenig Kraftaufwand ziehen, das Heckportal öffnet hoch, weit und breit. Fast 1.300 Kilogramm gelten in dieser Fahrzeugklasse als guter Kompromiss. Zumal die zulässigen Achslasten hohe Reserven aufweisen: Mit 1.750 Kilo an der Vorderachse und 2.250 Kilo hinten muss schwere Ladung nicht punktgenau positioniert werden. Jetzt ganz vorzüglich: Der Laderaum wird mit LED's fast taghell ausgeleuchtet - ohne Aufpreis.

Besonders herbe Kritik musste der Transit-Vorgänger wegen seines antiquierten Fahrerplatzes einstecken. Hier sitzt der Fahrer jetzt deutlich bequemer, das Lenkrad kommt ihm in Höhe und Neigung entgegen. Nur sehr große Fahrer hadern mit mangelndem Beinraum links, wo das Radhaus stört. Das Lenkrad ist klein und handlich, geschaltet wird wie bisher mit einem "Joystick" am Armaturenträger. Eine Automatik für die Stadt gibt es bei Ford nicht, wenigstens nicht hierzulande. Die Transit-Bedienung ist noch immer fummelig, das Radio lässt sich wahlweise an der Lenksäule oder an der unübersichtlichen Mittelkonsole regeln. Zahlreiche Funktionen lassen sich über Menüs regeln. Bluetooth, MP3-Player und USB-Datenträger verarbeitet Ford's "Sync"-System, sogar die Apps auf dem Fahrer-Smartphone lassen sich mit einfachen Sprachbefehlen steuern. Nicht zuletzt darf hier die automatische Notruffunktion nicht fehlen - soweit ist bisher kein Wettbewerber gegangen.

Unter der rundlichen Haube sitzen noch immer Euro 5-Motoren, sie finden in den Verkaufsunterlagen auch nur wenig Erwähnung. Die einheitlich 2,2 Liter großen Diesel-Vierzylinder leisten 74 kW/100 PS, 88 kW/125 PS und 114 kW/155 PS, Benziner oder Gasmotoren gibt es nicht. Der Testkandidat begnügt sich mit 125 PS, die grundsätzlich vollkommen ausreichen. Der Vierzylinder fällt gleich nach dem Start in einen leisen Gleichlauf. Wer angesichts satter 350 Newtonmeter Drehmoment ein kräftiges Anfahrvermögen erwartet, wird vorerst enttäuscht. Der erste Antritt ist nicht übel, aber eine harmonische Fahrweise will nicht gelingen.

Der Motor gönnt sich beim Schalten eine Gedenksekunde, bis die Drehzahl passend fällt. Und die Getriebeabstufung passt auch nicht so recht. Ein kurzer erster Gang, dann ein großer Sprung in den zweiten und dritten. Der "halbstarke" Transit verlangt nach etwas Drehzahl, enge Radien verlangen nach kleinen Gängen - eine souveräne Fahrweise sieht anders aus. Eine Automatik - oder ein Doppelkupplungsgetriebe könnte hier segensreich wirken. Kommt der Transit auf Touren, beschleunigt er artgerecht, in rund 18 Sekunden ist er auf 100 km/h. Auf der Autobahn schafft er gestoppte 148 km/h und braucht dafür etwas Anlauf. Der Vierzylinder dreht, wenn er muss, recht zäh und lustlos.

Dafür verbraucht er im Test nur 8,8 Liter Diesel auf 100 keineswegs langsam gefahrenen Kilometern. Wer es auf der Autobahn recht eilig hat, schrammt an der 11-Liter-Marke. In der Stadt spart der Transit mit seinem "Econetic-Paket", das ein Start-Stopp-System plus die intelligente Batterieladetechnik enthält. Sportliche Ampelstarts gehören damit der Vergangenheit an, ganz im Sinne des Erfinders. Die Start-Stopp-Automatik arbeitet erst mit gut durchgewärmtem Motor und voll geladenen Batterien, der Diesel dürfte gern schon beim Anrollen an die rote Ampel abschalten. Wenn der Transit richtig in Fahrt kommt, ist die Welt ohnehin in Ordnung.

Auch wenn das Fahrwerk einfach konzipiert ist, sehen wir hier keinen Makel. Selbst bei Leerfahrten poltert der Hecktriebler nicht ungehobelt über Schlaglochstrecken. Und beladen ist der 3,5-Tonner mit gediegenem Federungskomfort unterwegs. Der große Transit ist kein Kurvenkünstler, aber ein berechenbarer Untersteuerer, der sich in engen Kurven selbst abbremst. Allerdings sollte der Ford im Winter genügend Ballast im Heck haben, damit er bei Schnee und Eis noch aus der Parklücke kommt. Der große Kölner bremst jetzt auch gut, das teigige Gefühl am Pedal wie beim Vorgänger ist von gestern. Das adaptive ESP-System sorgt serienmäßig mit einer ganzen Palette elektronischer Assistenten für zusätzliche Sicherheit, gegen Aufpreis bekommt der Kunde Fahrspur-Assistent und Müdigkeitswarner. Das Sichtpaket "Premium" in der Optionsliste bietet für 950 Euro Aufpreis zusätzlich elektrisch klappbare Spiegel, ein Parkpilot-System plus Rückfahrkamera und einen Scheinwerferassistenten mit Tag-Nacht-Sensor.

Fazit:
Auch der neue Ford Transit bietet wieder viel Auto fürs Geld. Geht es um die Transportleistung, ist der Transit Spitze, beim Kraftstoffverbrauch zeigt er sich genügsamer als andere. Und Vielfahrer werden die langen Serviceintervalle (50.000 Kilometer oder einmal jährlich) zu schätzen wissen. An den Antrieb müssen die Ford-Techniker im Zuge der Euro 6-Umstellung bald Hand anlegen. Das bisher Gebotene ist noch nicht der Stein der Weisen, ein neues Doppelkupplungs-Getriebe soll bereits in der Pipeline sein. Aber schon jetzt ist der Ford Transit einen Seitenblick wert, wenn es nicht unbedingt ein Stern sein muss.

Wolfgang Tschakert/mid

Technische Daten Ford Transit: 350 L3 H2:
Großraum-Transporter, Länge/Breite/Höhe/Radstand in Metern: 5.98/2,06/2,55/3,75, Ladevolumen: bis 11 Kubikmeter, Leergewicht: 2.242 kg, max. Zuladung: 1.258 kg, zul. Gesamtgewicht: 3.500 kg, Achslast vorn/hinten: 1.750 kg/2.250 kg, zul. Anhängelast: 2.000 kg, Tankinhalt: 80 l.

Motor: 2,2-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel mit 92 kW/125 PS bei 3.500/min, max. Drehmoment: 350 Nm bei 1 500/min bis 2 000/min, 6-Gang-Schaltgetriebe, Heckantrieb, Beschleunigung 0 - 60/80/100 km/h: 7,3/12,0/18,3 s, Elastizität 80- 120 km/h/6.Gang: 21,0 s, Höchstgeschwindigkeit: 148 km/h, Verbrauch: 8,8 l Diesel auf 100 km, CO2-Emission: 233 g/km, Preis: ab 31.700 Euro.

Fahrwerk: Vorn Einzelradaufhängung mit McPherson-Federbeinen, Stabilisator und Gasdruckstoßdämpfern; hinten starre Rohrachse an Einblatt-Parabelfedern, Gasdruckstoßdämpfer. Bereifung 215/65 R16 C. Bremsen: Hydraulische Scheibenbremsen vorn und hinten.

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