Im zweiten Anlauf hat der Bundestag drei neue Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht gewählt. Die Abgeordneten stimmten mit den nötigen Zweidrittelmehrheiten für die beiden SPD-Kandidatinnen Kaufhold und Emmenegger sowie den Unions-Kandidaten Spinner.
Im zweiten Anlauf hat der Bundestag drei neue Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht gewählt. Die Abgeordneten stimmten am Donnerstagnachmittag mit den nötigen Zweidrittelmehrheiten für die beiden SPD-Kandidatinnen Ann-Katrin Kaufhold und Sigrid Emmenegger sowie den Unions-Kandidaten Günter Spinner. Damit sind nun wieder alle Richterposten beim höchsten deutschen Gericht in Karlsruhe besetzt. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sprach von einem wichtigen Tag "für die Demokratie in diesem Land", Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) sieht die Regierungskoalition durch das Ergebnis gestärkt.
Von den 613 abgegebenen Stimmen bekam der bisherige Arbeitsrichter Spinner 424 Ja-Voten bei 178 Nein-Stimmen und elf Enthaltungen. Für die Rechtswissenschaftlerin Kaufhold stimmten 440 Abgeordnete, 166 votierten dagegen, sieben enthielten sich. Die Verwaltungsrichterin Emmenegger kam auf 446 Ja-Stimmen, 161 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen. Nötig waren jeweils zwei Drittel der abgegebenen Stimmen. Dafür war die Koalition mit ihren 328 Sitzen auf die Opposition angewiesen.
Die Grünen hatten bereits im Vorfeld Zustimmung zu allen Nominierten signalisiert, die Linken ließen ihr Abstimmungsverhalten beim Unions-Kandidaten Spinner offen, stellten aber ihre Unterstützung der beiden SPD-Nominierten in Aussicht. Die AfD lehnte im Vorfeld der Abstimmung die SPD-Kandidatinnen ab, unterstützen aber Spinner. Die genaue Stimmverteilung zwischen den Fraktionen bleibt wegen der geheimen Wahl aber unklar.
Mit der Wahl hat die Koalition nun im zweiten Anlauf die drei frei gewordenen Richterstellen neu besetzt. Der erste Versuch war vor der Sommerpause an den Vorbehalten der Union gegen die damalige SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf gescheitert. Die Wahl wurde abgesetzt, Brosius-Gersdorf verzichtete später auf ihre Kandidatur und die SPD nominierte Emmenegger nach. Der Vorgang belastete das Verhältnis der Koalitionsfraktionen in der parlamentarischen Sommerpause.
"Mit dieser Wahl heute endet eine Phase der Unsicherheit", sagte Unions-Fraktionschef Spahn nach der Abstimmung. "Das Bundesverfassungsgericht ist wieder voll arbeitsfähig, alle Richterstellen sind mit gewählten Richterinnen und Richtern besetzt." Spahn sieht mit dem Abstimmungsergebnis auch die Koalition gestärkt. Die Koalition habe "Tritt gefasst", sagte er mit Blick auf die Verabschiedung des Haushalts 2025 in der vergangenen Woche und die Richterwahl vom Donnerstag. "Die Arbeitskoalition arbeitet und dafür war die heutige Wahl ein wichtiger Schritt."
SPD-Fraktionschef Miersch sagte: "Der heutige Tag ist aus meiner Sicht ein sehr, sehr wichtiger gewesen für die Demokratie in diesem Land, auch für die Verfassung." Eines der wichtigsten Verfassungsorgane sei nun wieder "voll arbeitsfähig". Mit Blick auf das Scheitern der Wahl im Juli sei die nun geglückte Abstimmung "ein wichtiges Signal, dass die überwiegende Mehrheit in diesem Parlament die Demokratie schützt und achtet."
Miersch dankte explizit Grünen und Linken für die Unterstützung der Kandidatinnen. "Ich glaube, das ist ein Signal, das über den Tag hinaus wirkt. Denn wir werden hier jetzt auch die Dinge weiter in Angriff nehmen, die im Zweifel auch Zweidrittelmehrheiten bedürfen."
Der Tag zeige, dass "diese Koalition handlungsfähig, entscheidungsfähig ist", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann. Die Koalition könne "die Aufgaben, die ihr gestellt werden, angehen". Die Abgeordneten hätten "staatspolitische Verantwortung bewiesen und das ist das, was unser Land und unsere Demokratie jetzt braucht".
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) kommentierte, es sei "gut, dass die Fraktionen jetzt zu einer klaren und breit getragenen Entscheidung gekommen sind". Mit der Wahl komme der Bundestag "seiner Verantwortung nach und stellt sicher, dass das Bundesverfassungsgericht arbeitsfähig bleibt. Das ist ein wichtiger Schritt für die Stabilität und Funktionsfähigkeit unserer Verfassungsorgane."
Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek warf der Union nach der Wahl vor, in Kauf genommen zu haben, "den eigenen Kandidaten auch mit den Stimmen der gesichert rechtsextremen AfD wählen zu lassen". Die Union habe sich "vehement geweigert, für demokratische Mehrheiten zu sorgen". Die Union hatte ihre Weigerung, mit der Linkspartei über eine Zustimmung zu Spinner zu verhandeln, mit ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken begründet. Reichinnek nannte das "Heuchelei".
Der Deutsche Richterbund (DRB) reagierte "erleichtert" auf das Ergebnis. "Es ist gut, dass der Bundestag nun seine Handlungs- und Kompromissfähigkeit in dieser Frage bewiesen hat", sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn den Funke-Zeitungen.