Panorama

Steigende Preise am Immobilienmarkt – das Ende eines Booms?

  • Gastbeitrag: Alexander Surminski
  • In PANORAMA
  • 20. Juni 2022
img
@ Gastautor: Alexander Surminski (Geschäftsführer, immocation.de)

Die EZB hat Anfang Juni die Erhöhung des Leitzins um 0,25 Prozent angekündigt. Es gilt unter Experten als ausgemacht, dass im September ein weiterer Anstieg bevorsteht. Menschen, die demnächst erst ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen wollen, stehen herausfordernde Zeiten bevor. Zwar dient diese geldpolitische Maßnahme dazu, der galoppierenden Inflation - einem weiterem Preistreiber am Markt - entgegen zu wirken.

Dennoch steigen die Zinsen für Baufinanzierungen erheblich an. Lagen letzten Weihnachten die Zinsen für ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung noch bei 0,9 Prozent, stehen sie aktuell bei einer Marke von 2,6 Prozent. Ein Abwärtstrend ist nicht in Sicht. Bedeutet dies das Ende des Immobilienbooms? Wie können private Immobilienkäufer gegensteuern?

Historischer Zinsanstieg – ohne Beispiel seit 40 Jahren

Es ging mit der Ausbreitung von Covid-19 einher: Durch die pandemiebedingten Lieferengpässe verteuerten sich Baumaterialien kontinuierlich seit Mitte 2020. Deuteten sich Ende letzten Jahres eine leichte Entspannung auf den Materialmärkten an, hat der Überfall Russlands auf die Ukraine die Gesamtsituation erheblich verschlechtert. Die Lieferketten leiden inzwischen an breitgefächerten Einschränkungen und Unterbrechungen (vom simplen Nagel bis zum Qualitätsholz für Dachbalken), die kriegsbedingte Verteuerung am Energiemarkt treibt die Inflation in ungeahnte Höhen. Lag Anfang 2022 die Inflationsrate noch bei 4,9 Prozent, kletterte sie bis Ende Mai auf 7,9 Prozent. Vor einem Jahr betrug sie laut Statistischem Bundesamt noch überschaubare 2,5 Prozent. Angesichts dieser Entwicklung entschied sich die EZB im Juni 2022 für eine Anhebung des Leitzinses auf 0,25 Prozent. Dieser Schritt bedeutet das Ende einer sehr langen Niedrigzinsphase, die mit der globalen Finanzkrise zwischen 2007 und 2009 ihren Anfang nahm.

Die EZB-Maßnahme wird sich aber noch nicht unmittelbar auf die allgemeinen Preissteigerungen und eine befürchtete Lohn-Preis-Spirale auswirken. Die Ursachen für den Inflationsanstieg liegen im Energiebereich begründet, auf den die EZB nicht Einfluss nehmen kann. Direkte Konsequenzen ergeben sich aber für das Baufinanzierungsgeschäft: Bei Neuabschluss eines Immobiliendarlehens mit zehnjähriger Bindung bezahlen Verbraucher aktuell 2,6 Prozent Zinsen. Dieser Anstieg ist beispiellos seit 40 Jahren. Eine weitere Erhöhung des Leitzinses durch die EZB wird im Laufe des dritten Quartals 2022 erwartet, die Immobilienzinsen werden folgen und wohl bis auf 3 Prozent anziehen. Im Zusammenspiel mit der noch hohen Inflation, die eher indirekt und verzögert nachgeben kann, steht den Verbrauchern weniger Geld am Monatsende zur Verfügung, um potentiell wesentlich höhere Zinsen zu bedienen. Aktuell ist bereits zu beobachten, dass sich Käufer von ihren Vorhaben zurückziehen. Die angespannte Lage im Bausektor, gekennzeichnet durch fehlendes Material und ausbleibende Fachkräfte, wirkt sich genauso auf bestehende und zukünftige Bauplanungen aus.

Welche Möglichkeiten haben Immobilienkäufer, der aktuellen Lage zu begegnen?

Trotz der geschilderten, eher ungünstigen Rahmenbedingungen besteht kein Grund zur Panik. Tatsächlich stellt sich die gegenwärtige Lage je nach Ausgangssituation sehr differenziert dar. Eine allgemeingültige, pauschalierende Empfehlung gibt es daher nicht. Schauen wir uns die verschiedenen Voraussetzungen und mögliche Vorgehensweisen genauer an: Wer sich jetzt erst entscheidet, in absehbare Zeit ein Haus zu bauen, muss mit den größten Hürden klarkommen. Hier gilt es, sich erst einmal in Geduld zu üben. Bauunternehmen können aktuell kaum verbindliche Zusagen machen, die Zinsen bei Neuaufnahme sind auch gerade auf hohem Niveau. Zwar werden diese noch steigen, andererseits wird die zu erwartende, deutlich abklingende Nachfrage wieder Entspannungseffekte nach sich ziehen. Wer vor einigen Jahren gekauft hat und jetzt vor der Anschlussfinanzierung steht, ist aktuell noch in der Lage, bei den Zinsen zu sparen. Die bereits bestehenden Geschäftsverbindungen mit dem ursprünglichen Baufinanzierer erleichtern die Refinanzierung oder dienen als Referenz bei der Neuorientierung. Wer erst vor kurzem eine Immobilie erworben hat, kann sich auch immer noch eine gute Finanzierung sichern, bevor das Zinsniveau weiter steigt.

Wer momentan hingegen auf der Suche nach einer Eigentumswohnung oder einem Mehrparteienhaus als Anlageobjekt ist, sollte jetzt nichts überstürzen. Das war selbst in der vergangenen Niedrigzinsphase keine gute Idee. Auch wenn man vor geraumer Zeit in einigen Regionen und Lagen tatsächlich den Eindruck gewinnen konnte, selbst blind ein lukratives Objekt kaufen zu können. Mit einer Immobilieninvestition eine auskömmliche Altersvorsorge aufzubauen oder sogar nicht mehr von bezahlter Arbeit abhängig zu sein, erfordert Hintergrundwissen, sorgfältige Recherche – und vor allem einen kühlen Kopf. Die mögliche Rendite in diesem Bereich hängt von zahlreichen Faktoren ab, die man ganz in Ruhe und mit dem Blick für Details in Augenschein nehmen sollte. Gerade angesichts der aktuelle Lage entscheiden oft Kleinigkeiten darüber, ob und wann man mit einem Objekt in den grünen Bereich kommt. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich einige Investitionswillige angesichts des steigenden Zinsniveaus wieder der direkten Finanzanlage zuwenden werden und sich der Immo-Markt entspannt.

Gastautor:

Alexander Surminski ist seit Januar 2021 Geschäftsführer von immocation.de, einem Münchener Ausbildungsunternehmen mit Schwerpunkt Wissenstransfer. Zuvor arbeitete Surminski unter anderem als Director bei onvista (2017-2020), Managing Director von ayondo und weiteren international ausgerichteten Finanzunternehmen. Ziel der Münchener ist es, Menschen mit starkem Interesse für Immobilienthemen, ein möglichst breit gefächertes Know-how für den eigenen Vermögensaufbau zu vermitteln.

STARTSEITE